1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Burgenlandkreis
  6. >
  7. Opfer-Gedenken : Opfer-Gedenken : Wie wichtig ist Erinnern?

Opfer-Gedenken  Opfer-Gedenken : Wie wichtig ist Erinnern?

Von Harald Boltze 13.11.2020, 08:28
Die „Jan-Hus“-Schüler Cheyenne Schied, Jasmin Kranz und Lennart Zeitschel reinigen den „Stolperstein“ in der Naumburger Parkstraße in Gedenken an Dr. Arthur Samter, der vor seiner Deportation dort wohnte.
Die „Jan-Hus“-Schüler Cheyenne Schied, Jasmin Kranz und Lennart Zeitschel reinigen den „Stolperstein“ in der Naumburger Parkstraße in Gedenken an Dr. Arthur Samter, der vor seiner Deportation dort wohnte. Torsten Biel

Naumburg - Nachdem die Zehntklässler im Kreuzgang des Doms ihr Gesteck in Gedenken an die in beiden Weltkriegen gefallenen Naumburger Domschüler abgelegt und ehrende und mahnende Worte gesprochen hatten, war es an der Zeit für ein Gruppenfoto. Doch gehört sich das überhaupt? An einer Gedenkstätte? „Das war eine der vielen Fragen, die wir lange und mit sehr unterschiedlichen Meinungen diskutiert haben“, sagte Schülerin Jessica Matz.

Man sei zu dem Schluss gekommen, dass es okay ist, wenn das Bild informieren soll und nicht zur Selbstdarstellung dient, so wie das bei manchen Selfies in Auschwitz oder zwischen den Stelen des Berliner Holocaust-Mahnmals zu beobachten ist.

Meinungsvielfalt wichtig

Überhaupt habe es während des gesamten Projekts, in dem sich die 10b des Domgymnasiums jüngst mit dem Nationalsozialismus beschäftigte, ein breites Meinungsspektrum gegeben. „Aber das ist ja auch gut so. Es ist ja genau das Gegenteil der eingetrichterten Ideologie der Nazis, als jeder die gleiche Meinung haben musste“, so Jessica Matz. Und Referendarin und Projektleiterin Franziska Weser ergänzt: „Wir lassen als Lehrer Meinungen zu, auch wenn Schüler manchmal sehr ungefiltert Dinge wiedergeben, die sie von den Eltern oder Sozialen Netzwerken aufnehmen. Unsere Aufgabe ist es, ihren Blick und ihre Perspektiven zu weiten.“

In den vergangenen Jahren war es stets der Bund alter Naumburger Domschüler (Band) gewesen, der im Rahmen einer jährlichen Sitzung die Ehrung der Gefallenen im Dom vornahm. „Als nun die Idee aufkam, dass das Schüler in einem Projekt machen könnten, haben wir sofort unsere Unterstützung zugesagt“, so Band-Vorstand Marcel Warnt.

Als Domschüler im Krieg

In einer Ansprache machte Zehntklässler Richard Otto deutlich, wie wichtig es sei, an die Verbrechen der NS-Zeit zu erinnern, damit sich Ähnliches nicht wiederholt. Genau diese Frage, ob es dieses Erinnern wirklich brauche, sei Kern des Geschichtsprojekts gewesen. Zudem wies Otto darauf hin, dass es damals auch Schüler ihres Alters waren, die in den Krieg ziehen mussten - „wenn man so will, waren es unsere Mitschüler“, so der Zehntklässler.

Nun auch Broschüre

Ein paar Stunden zuvor waren nur wenig entfernt Cheyenne Schied, Jasmin Kranz und Lennart Zeitschel von der Freien Schule im Burgenland „Jan Hus“ mit Lehrer Ronny Schulz ebenfalls in „ehrender Mission“ unterwegs. Sie putzten die Stolpersteine, die in Naumburger Straßen an das Schicksal der Menschen erinnern, die in der NS-Zeit verfolgt, ermordet, deportiert oder vertrieben worden waren. Zudem legten die Schüler Rosen nieder und stellten Lichter auf.

Unterstützt wird das Projekt seit Jahren vom Naumburger Bürgerverein, der auch die Idee dazu hatte. Stets findet die Aktion zwischen Pogromgedenken und Volkstrauertag statt. Wie Schulleiterin Kathrin Wahlbuhl-Nitsche anmerkte, ist es nun angedacht, in einem fächerübergreifenden Projekt in Geschichte, Kunst und Technik bis kommendes Jahr eine Broschüre anzufertigen, die sich mit dem Leben der verfolgten und ermordeten Naumburger Juden beschäftigt.

Rosen und Kerzen wurden durch die Schüler, unterstützt vom Naumburger Bürgerverein, an allen Stolpersteinen hingelegt und aufgestellt.
Rosen und Kerzen wurden durch die Schüler, unterstützt vom Naumburger Bürgerverein, an allen Stolpersteinen hingelegt und aufgestellt.
Torsten Biel
Die 10b des Domgymnasiums während der Kranzniederlegung im Kreuzgang in Gedenken der Gefallen aus den beiden Weltkriegen.
Die 10b des Domgymnasiums während der Kranzniederlegung im Kreuzgang in Gedenken der Gefallen aus den beiden Weltkriegen.
Torsten Biel