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Naumburger Gemeinderat Naumburger Gemeinderat: Stadtrat der ersten Stunde

Von Harald Boltze 15.05.2019, 08:03
Gero Zimmer, hier zu Hause in den Weinbergen, war 24 Jahre Naumburger Stadtrat. Er tritt am 26. Mai nicht noch einmal zur Wahl an.
Gero Zimmer, hier zu Hause in den Weinbergen, war 24 Jahre Naumburger Stadtrat. Er tritt am 26. Mai nicht noch einmal zur Wahl an. Torsten Biel

Naumburg - Seit 20 Jahren ist Gero Zimmer Vorsitzender des Technischen Ausschusses im Naumburger Gemeinderat. Und wenn dieser nach der Sommerpause mit neuer Besetzung wieder wichtige städtische Bauvorhaben diskutieren wird, ist es gut möglich, dass auch Gero Zimmer dabei sein wird. Dann aber als Zuschauer. Er wird am 26. Mai aus Altersgründen nicht noch einmal bei der Kommunalwahl antreten. „Aber klar werde ich das weiter interessiert verfolgen. Es liegt mir doch am Herzen“, sagt der 74-Jährige, der 1990 in den ersten Nachwende-Gemeinderat der Domstadt gewählt wurde und diesem bis auf eine Unterbrechung - 1994 bis 1999 - angehörte.

„Anfang der 90er ging es im Rat viel politischer zu. Da gab es heftige Diskussionen, mitunter auch mal persönlichen Streit. Heute geht es mehr um die Sache“, sagt Zimmer, der die Entwicklung des Stadtparlamentes wie kaum ein Zweiter einschätzen kann. Schließlich sind neben ihm nur Josef Klieber, Torsten Pörnig und Thomas Klimke als Abgeordnete der ersten Stunde im Rat verblieben.

In Cauerwitz geboren, in Schulpforte zur Schule gegangen, in Freiberg Student der Geologie, von 1974 bis 1990 beim „Baugrund Naumburg“ angestellt und seitdem selbstständig, war Gero Zimmer seit jeher politisch interessiert. In tiefsten DDR-Zeiten besaß er einen CDU-Parteiausweis, „damit mich die anderen in Ruhe lassen“. Nach dem Massaker 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking gab er frustriert alle Mitgliedschaften auf. Nur wenig später war die Motivation aber zurück und Zimmer einer, der ganz vorn gegen das SED-Regime demonstrierte, auf der Kanzel im Dom für die Freiheit warb.

Für den „Demokratischen Aufbruch“ (DA) errang er 1990 einen Sitz im Gemeinderat. Doch mit der Zeit setzten sich die großen Parteien durch, und als die DA mit der CDU fusionierte, war Zimmer wieder Christdemokrat.

Auf 24 Jahre Abgeordneten-Dasein kann er zurückblicken. „Es ist, vor allem als Ausschussvorsitzender, eine zeitaufwendige Aufgabe.“ Vor den Ratsterminen liegen Fraktions- und Ausschusssitzungen. „Hinzu kommen, wenn man es ordentlich vorbereiten will, viele weitere Abendstunden im Monat.“ Vergütet wird der Aufwand als Stadtrat mit 200 Euro. Für seinen Ausschussvorsitz sind es bei Zimmer noch 200 Euro mehr. „Ich kenne aber keinen, der sich aus finanziellen Gründen zur Wahl stellt.“

Bei allen Themen könne man nicht Experte sein. „Haushaltsdiskussionen waren nie mein Ding“, so Zimmer. Dafür aber Bauprojekte. In den 90ern habe man bis in die Nacht über die sprudelnden Fördermittel entschieden. Dass mit der Erneuerung der Stadt auch die Schulden stiegen, dieser Verantwortung ist sich der 74-Jährige bewusst. „Umso froher bin ich, dass es uns gelingt, diese wieder abzubauen.“ Dass die Vogelwiese heute so aussieht, wie sie aussieht, und nicht durch ein externes Planungsbüro ganz anders gestaltet wurde, schreibt er auch seinem Einfluss zu. Aber es gebe auch Themen, wo die Meinungen auseinandergehen. „Das Jakobsviertel ist aus meiner Sicht deutlich aufgewertet worden, andere wiederum stoßen sich an dem neuen Stil.“ Manches könne man zudem nicht vorhersagen: „Anfang der 90er hätte ich nie gedacht, dass wir mal wieder eine Straßenbahn mit regulärem Betrieb bekommen.“ Da ging es Zimmer wie dem damaligen Oberbürgermeister Curt Becker, den er als „Macher“ charakterisiert, wobei es auch zu Differenzen gekommen sei, wenn Becker versucht habe, Dinge

per Eilentscheidung durchzudrücken. „Auch mit Preißer und Küper hatte ich keine Probleme.“ Ersterer habe korrekt und unauffällig gehandelt, sei aus teilweise lächerlichen Gründen zum Rücktritt gedrängt worden.

Dass es mit 145 Bewerbern ein hohes Interesse an den 40 Ratssitzen gibt, freut Zimmer. Er geht davon aus, dass die absolute Mehrheit der CDU fallen wird. „Ich erwarte ein breiteres Spektrum, und das hat auch sein Gutes, wenn wieder mehr über Themen diskutiert wird.“ Dass die Zuschauerplätze im Rat selten gut besetzt sind, findet er schade. „Man muss aber zugeben, dass es, wenn auf der Tagesordnung keine wirklichen Streitpunkte stehen, auch mal langweilig sein kann.“