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MZ macht Sport MZ macht Sport: Unterwegs vom Himmel zur Erde

Von HEIKE RIEDEL 02.09.2011, 17:14

MERSEBURG/MZ. - Sportlich im Kopf und ansonsten gesund sein. Das sei die einzige Bedingung, die man erfüllen müsse. So stimmt mich Torsten Schulz auf meinen ersten Fallschirmsprung ein. Und der Vereinsvorsitzende des Fallschirmsportvereins Merseburg (fsm) berichtet von Kindern, die das schon gewagt haben, und Senioren, die nach ihrem ersten Sprung gleich den nächsten dranhängen wollten. Freilich meint er erst einmal Tandemsprünge, das heißt solche, bei denen man einem erfahrenen Fallschirmspringer auf den Bauch geschnallt ist. Denn auch Fallschirmsport muss gelernt sein. Der Tandemsprung sei das beste Mittel, Geschmack an der Sportart zu finden, auszuprobieren, ob man zukünftig mehr Zeit und Geld dafür investieren möchte, sagt Schulz.

Gespräche stärken Vertrauen

Im Verein müssten Jugendliche nicht gleich mit einer eigenen Ausrüstung beginnen. Schließlich werden die Tandemsprünge gegen Bezahlung für eine breite Öffentlichkeit auch angeboten, um mit den Einnahmen die Kosten der Sprünge für die Vereinsmitglieder zu reduzieren, so Schulz. Schließlich gehört doch immer ein Flugzeug dazu, um in die Höhe zu kommen.

Andreas Braun ist einer der drei Tandemmeister im Verein, derjenigen also, die andere mitnehmen dürfen auf den Sprung. Ihn lerne ich als Brauni kennen, nachdem ich den Verein mit meiner Unterschrift von allen Haftungsansprüchen befreit habe. Doch mein Vertrauen in ihn und den Verein haben schon die Gespräche mit anderen bestärkt. So weiß ich, dass Benni alias Benjamin Ring (24) statistisch den fsm von den Rettungssprüngen entlastet hat. So eine Aktion, bei der der Notfallschirm geöffnet werden muss, passiert im bundesweiten Durchschnitt aller 800 Sprünge. Benni hat bei seinen 1 200 Sprüngen aber bereits fünfmal den Notschirm öffnen müssen.

Ohne Angst konzentriere ich mich auf die Übungen auf festem Boden. Ich schlüpfe in den Anzug, den mir mein Tandemmeister reicht, und steige in das "Geschirr", mit dem er mich kraftvoll an sich zieht. Er steht wie ein Baum, als ich die Flughaltung für den freien Fall einnehme. Die Arme über Kreuz, die Unterschenkel nach hinten abgewinkelt, Mund zu, so soll ich mich bereit machen für den Absprung im Flugzeug.

Ein kräftiger Tandemmaster

Als sich Brauni mit mir an ihm hängend am Boden nach vorn beugt, fährt mir der Schreck durch die Glieder. Wenn von mir keine Sportlichkeit erwartet wird, nur ein Gewicht unter 90 Kilo, so muss der Tandemmeister die aber haben. Denn er richtet sich genauso selbstverständlich mit dem Fallschirm auf dem Rücken und mir auf dem Bauch wieder auf, wie er sich zuvor mit der Last nach vorn gebeugt hat.

Wir trennen uns noch einmal. Brauni gibt mir die Lederkappe mit Brille und nimmt sich Helm, Höhenmesser, Brille und den 25 Kilogramm schweren Fallschirm. Das gecharterte Flugzeug, mit dem fünf Tandempaare und drei Einzelspringer des Vereins in die Luft gehen sollen, wartet schon, eine AN 28. In einer Viertelstunde steigen wir bis 4 300 Meter auf. Unter uns wird alles kleiner, es wird auch immer kälter. Die Tandemmaster bereiten alles auf den Absprung vor. Die Paare sitzen sich auf den Seitenbänken des Flugzeugs gegenüber, der Neuling auf dem Schoß des Masters, weil schon eng mit ihm verbunden.

Da kommt die Nachricht: Keine Sprungfreigabe. Warum? Kurzzeitige Unruhe, zusätzliche Funksprüche, eine Extrarunde des Fliegers am Himmel. Dann endlich heißt es: Es geht los! Zwei, drei Schritte im Gleichschritt nach vorn, einer fehlt noch, als ich die Beine heben und Arme überkreuzen soll. Vor mir nur noch die kleinteilige Landschaft der Erde. "Vielleicht doch nicht springen?" Ich kann den Gedanken nicht beenden, da habe ich schon das blau-weiße Flugzeug über mir im Blick, dann wieder die Felder und Straßen unter mir.

Pirouetten gegen Langeweile

Der vereinbarte Schlag auf den Oberarm erinnert mich, dass ich die Arme nun weit auseinandernehmen und die Beine strecken soll. Das muss die Autobahn sein, zu der wir hinuntersausen.

Ich versuche mich zu orientieren, doch 60 Sekunden sind wenig. Ich bin mir meiner Situation noch nicht richtig bewusst geworden, da zerrt es heftig unter den Schultern. Der Fallschirm hat sich also auf Braunis Aktion hin in 1 500 Meter Höhe geöffnet. Ich hänge darin und staune über die Welt, vergesse glatt es mir in dem "Geschirr" nun bequemer zu machen. Doch mein Meister erinnert mich daran. Damit es mir während der etwa zehn bis zwölf Minuten im sanften Fallschirmflug nicht etwa langweilig wird, baut er noch Pirouetten ein. Toll, wie die durch den Bauch sausen.

Ein neues Lebensgefühl

Auf der Landewiese sieht es recht bunt aus. Mein Master findet zwischen den schon Angekommenen sicher eine Einflugschneise. Ich habe, wir geübt, die Beine vorn nach oben, so dass wir auf dem Hosenboden übers Gras gleiten können. Sofort springt Lutz Stiller - diesmal Bodenpersonal des Vereins - hinzu, um den Fallschirm im Kampf mit dem Wind zu bändigen.

Irgendwie verdattert sitze ich einen Moment da, aber mit einem ganz neuen Lebensgefühl. Es drückt nur noch gewaltig auf die Ohren. Das vergeht, sagen mir die Männer und Frauen, die jedermann den Sprung vom Himmel ermöglichen. Es mache süchtig, zeigen sie sich gewiss, neue Anhänger ihres Sports gefunden zu haben.

Wer sich weiter infor mieren möchte, kann das im Internet.

Kontaktaufnahme per E-Mail:

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