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Lebensbilder: Katrin Hartung Lebensbilder: Katrin Hartung: Beistand in schwerer Zeit

Von Constanze Matthes 09.11.2020, 09:55
Katrin Hartung arbeitet seit zwei Jahren als Bestatterin im Bestattungsunternehmen Abendfrieden in Naumburg.
Katrin Hartung arbeitet seit zwei Jahren als Bestatterin im Bestattungsunternehmen Abendfrieden in Naumburg. Torsten Biel

Naumburg - Dieser Monat November ist keine einfache, eine eher stille Zeit. Die Tage werden kürzer, früh setzt die Dunkelheit ein. Mit Allerseelen, dem Volkstrauertag und Totensonntag gilt er gemeinhin als Trauermonat. „Das ist die Zeit, in der viele eine zusätzliche Schwermut empfinden“, sagt Katrin Hartung.

Die 44-Jährige arbeitet als Bestatterin und Trauerrednerin im Bestattungsunternehmen Abendfrieden mit Sitz am Naumburger Holzmarkt. Seit einigen Wochen und Monaten macht sie eine nicht unerhebliche Unsicherheit bei Hinterbliebenen in puncto Bestattung in Zeiten von Corona aus. „Viele Ältere trauen sich nicht, unter Menschen zu gehen, weil sie der Risikogruppe angehören“, so Katrin Hartung. Zudem stellen sich viele die Fragen, wie eine würdige Trauerfeier unter den aktuellen Einschränkungen gestaltet werden kann.

In Sachsen-Anhalt gilt die Regel, dass an einer Trauerfeier nur der engste Familien- und Freundeskreis, der Trauerredner beziehungsweise Geistliche sowie das Personal des Bestattungsunternehmens teilnehmen dürfen. Die Trauerhallen sind geschlossen. „Sehr viel Trauerkultur geht verloren. Jeder braucht den Abschied, es ist wichtig zu sehen, dass Sarg oder Urne ins Grab gelassen wird“, bemerkt die Bestatterin. Wichtig sei deshalb, kreative Ideen zu nutzen, um die Trauerfeier unter freiem Himmel unter Abstandsgebot würdig zu gestalten. Laternen und Kerzen, ein Pavillon auf dem Friedhof, Freisprechanlage, zählt Katrin Hartung Möglichkeiten auf. Selbst hat sie kürzlich einen schmerzlichen Verlust erfahren. Einer von vielen der vergangenen Jahre, die auch dazu führten, dass sich die Leipzigerin vor zwei Jahren für einen Neuanfang entschlossen hat, die Arbeitsstelle wechselte und nach Naumburg zog. „Ich habe alles mitgemacht, was man mitmachen kann“, sagt sie. Am 18. September verunglückte ihr Bruder mit dem Motorrad in Markkleeberg; er wurde schwer verletzt und starb wenige Wochen später im Krankenhaus. „Ich hatte in der Klinik keine Möglichkeit, mich von ihm zu verabschieden. Sein Tod geht nicht in meinen Kopf“, erzählt Katrin Hartung. Zu ihrem Beruf ist sie über Umwege gekommen. Sie studierte Psychologie, arbeitete für ein Vermessungsunternehmen. Eine Nahtod-Erfahrung habe sie wieder der Psychologie nähergebracht. „Ich habe gefühlt, dass mich meine Arbeit nicht mehr erfüllt“, sagt die Bestatterin, die zuvor in einem Leipziger Unternehmen tätig war und dort erste Erfahrungen in ihrem jetzigen Beruf sammeln konnte.

Als zweifache Mutter plädiert sie dafür, ein gesellschaftliches Tabu aufzubrechen und auch Kinder an Trauerfeiern teilnehmen zu lassen und in die Trauerarbeit aufzunehmen. „In meinen Reden gibt es auch Passagen, in denen ich die Jüngsten mit einbeziehe.“ Eine Bestattung sei dann würdig und gut, wenn die Hinterbliebenen sagen, es sei ein guter Tag gewesen, wenn die Feier die Wünsche sogar übertroffen habe. Grenzen bei der Ausgestaltung des Abschiednehmens kennt sie kaum, sofern die Wünsche der Trauernden nicht ein allgemeines Pietätsempfinden und rechtliche Bedingungen überschreiten. „Bei mir werden sie keine schwarzen Tücher finden“, betont Katrin Hartung.

Sie führte schon eine Luftbestattung durch, bei der die Asche aus einem Heißluftballon heraus verstreut wurde. Auch die Anwesenheit der Hinterbliebenen während der Feuerbestattung im Krematorium macht sie möglich. „Man muss da Feingefühl entwickeln.“ Allgemein wünscht sich die Naumburger Bestatterin, die die deutsche Bestattungskultur sehr schätzt, dass aus dem Tod kein Tabu gemacht wird. „Es ist etwas Natürliches. Das Leben hat kein Gegenteil.“