Lebensbilder: Bernd Sperling Lebensbilder: Bernd Sperling: Der "Spatz" vom Sportplatz

Saubach - Seine Ehefrau Christa habe es all die Jahre sicher nicht ganz einfach mit ihm gehabt, meint Bernd Sperling mit einem schuldbewussten Lächeln. „Statt von unserem Auto, Telefon und später Computer hat sie immer davon gesprochen, dass das doch ohnedies nur Sportauto, Sporttelefon und Sportcomputer seien - zweifellos eine Anspielung darauf, dass die genannten Gerätschaften in allererster Linie von mir und für mein Ehrenamt beim TV 1922 Saubach genutzt wurden“, erläutert der heute 77-Jährige. Nach stolzen 46 Jahren Engagement im Vorstand des Turnvereins, davon fast ein Vierteljahrhundert als Chef, hat Bernd Sperling im März den Staffelstab an den neuen Geschäftsführer Philip Walter, einen Mittzwanziger, und dessen gleichfalls junges Team übergeben.
Erstes Ehrenmitglied
Sperling selbst wurde zum ersten und bislang einzigen Ehrenmitglied des TV Saubach geschlagen und steht dem neuen Vorstand weiterhin als Berater zur Verfügung - was seine Ehefrau sofort zu einer halb ernst, halb augenzwinkernd gemeinten „Ruft ja nicht an!“-Warnung an die Adresse der Nachfolger veranlasste. „Inzwischen haben wir die Übergabe aller Akten und Abrechnungen durchgeführt, stellt sich auch bei mir ein Gefühl der Entlastung ein“, bekräftigt Bernd Sperling. „Ich bin sehr glücklich, dass wir junge Leute gefunden haben, die sich verantwortlich fühlen für die Aufgaben des Vereins.“
Das „Verantwortungsgefühl für das, was da zusammengewachsen war“, hatte ihn dereinst selbst ins Funktionärs-Ehrenamt im Sportverein geführt. 1974, als im Vorstand der damaligen BSG Traktor Saubach ein Abteilungsleiter Volleyball gesucht wurde und man ihn wegen seines Organisationstalents angesprochen hatte - und zweifellos auch wegen seiner sportlichen Vita. Ebenjene wies interessanterweise zunächst Meriten im Fußball auf: 1942 in Berlin geboren und von den Kriegswirren nach Osterfeld verschlagen, kickte Bernd Sperling während seiner Ausbildung zum Unterstufenlehrer für Fortschritt Weißenfels in der Junioren-Liga.
In Finne-Region geschickt
Nach ihrem Abschluss wurden er und seine Christa, die er beim Studium kennengelernt hatte, 1962 in die Finne-Region „abkommandiert“ - sie nach Saubach und er nach Kahlwinkel, wo das Paar noch immer wohnt. Mitte der 1960er-Jahre, Sperling spielte parallel noch aktiv für Freyburg, übernahm er in Saubach eine Fußball-Schülermannschaft als Übungsleiter. „Mir hat es immer Spaß gemacht, mit Menschen zu arbeiten und Wissen zu vermitteln“, nennt er seine Motivation - die ja auch in seinem beruflichen Leben als Unterstufenlehrer und später als Lehrausbilder bei Robotron in Sömmerda ihren Niederschlag fand.
Von 1969 an formte Bernd Sperling gemeinsam mit dem Saubacher Sportlehrer Dieter Hähnel aus seinerzeit 13-, 14-jährigen Talenten eine Volleyball-Mannschaft, der bereits 1974 der Sprung in die Bezirksklasse gelang und die von 1986 bis 1988 sogar in der Bezirksliga spielte - übrigens mit dem Spieler Sperling, der auch als Aktiver erfolgreich von Fuß- auf Volleyball umgesattelt hatte.
Im Jahr 1985 stieg Bernd Sperling, scherzhaft „Spatz“ genannt, vom Volleyball-Abteilungsleiter zum stellvertretenden Sportvereinschef auf. Da der eigentliche Vorsitzende Günter Schuhte als Leiter des Dampfkesselbaus Billroda, der starke materielle Unterstützung leistete, lediglich repräsentative Aufgaben wahrnahm, führte er als Vize praktisch das administrativ-organisatorische Tagesgeschäft - eine Rolle, die er auch in den besonders herausfordernden Nachwendejahren innehatte. „Wer dachte, dass die ausufernde Bürokratie, die zu DDR-Zeiten im Sportbereich waltete, in der neuen Zeit weniger werden würde, sah sich getäuscht. Wo es früher sogenannte Trägerbetriebe gab, galt es jetzt, Sponsoren zu finden, an Fördertöpfe ranzukommen und Anträge zu stellen“, schildert Bernd Sperling die Veränderungen.
1997 wurde er dann auch ganz offiziell Vorsitzender des TV 1922 Saubach. Beim überaus stimmungsvollen Jubiläumsprogramm zum 75. Vereinsgeburtstag erlebte er besondere Glücksmomente, die sicher auch ein klein wenig für den oft genug mühseligen, mitunter nervenaufreibenden Funktionärsalltag entschädigten. „Als Vorstandschef muss man ja immer das Wohl des Gesamtvereins im Blick haben, macht man sich mit bestimmten Entscheidungen beinahe zwangsläufig unbeliebt“, beschreibt Bernd Sperling. An Durchsetzungsvermögen - „wohl eine Folge meiner harten Kindheit als Flüchtlingskind“ - sowie Überzeugungskraft habe es ihm dabei nicht gefehlt. „Bei unserer letztjährigen Weihnachtsfeier haben die ,Fünf Poeten‘ vom Saubacher Carnevalsverein das humorvoll auf den Punkt gebracht: Man gehe mit verschiedenen Meinungen in eine Sitzung hinein und komme mit Spatz’ Meinung wieder raus“, erzählt Bernd Sperling und fährt lachend fort: „Ich habe bestimmte Sachen halt solange vorgeschlagen, bis die anderen gesagt haben, anders können wir es gar nicht machen.“
250 aktive Mitglieder
Seiner (und der vieler anderer) Hartnäckigkeit und Einsatzfreude ist es zu danken, dass der TV Saubach heute, zwei Jahre vor dem „100.“, glänzend dasteht - mit 250 aktiven Mitgliedern, den Abteilungen Fußball, Tischtennis, Turnen, Volleyball und Knirpsensport sowie jeder Menge Publikumsveranstaltungen wie traditioneller Frühjahrs- und Herbstwanderung oder der kultigen Sause am zweiten Adventssonnabend.
Das dürfte auch Sperlings Frau Christa damit, dass sie ihren Mann wegen dessen Engagements oft entbehren musste, irgendwie versöhnen. Bester Beweis: Einmal wöchentlich sind die Eheleute, die zwei Töchter, vier Enkeltöchter und mittlerweile sogar eine Urenkelin haben, jetzt gemeinsam beim Senioren-Volleyball aktiv.