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Kirschfest Kirschfest: Bühne verpasst, dennoch Pokal geleert

Von Albrecht Günther 27.06.2016, 14:47
Verwirrt: Oberbürgermeister Bernward Küper (l.) und SPD-Stadtrat Andreas Sander auf dem Rückweg zur Markt-Bühne.
Verwirrt: Oberbürgermeister Bernward Küper (l.) und SPD-Stadtrat Andreas Sander auf dem Rückweg zur Markt-Bühne. Torsten Biel

Naumburg - Mit Ringo Fischer und Sohn Sandro gaben gleich zwei Fahnenschwenker den Weg vor. Angeführt vom neuen Stadthauptmann Mario Rauner folgte die Stadtwache. Dennoch hatte Oberbürgermeister Bernward Küper Orientierungsschwierigkeiten. Gemeinsam mit Stadträten im Gefolge, alle prächtig gewandet, verfehlte der Tross die Bühne.

Neue Route durch die Salzstraße

War es die neue Route, die den historischen Kirschfest-Umzug aufgrund der Bauarbeiten in der Marienstraße am Sonnabendnachmittag durch die Salzstraße zum Naumburger Markt führte, oder sorgte die Hitze für kurzzeitige Verwirrung - erst nach einem Zuruf kurz vor dem Einbiegen in die Jakobsstraße gelang es, die Stadtoberen zur Rückkehr zu bewegen.

„Wir sind da wohl etwas zu weit gelaufen“, kommentierte Küper den Irrtum, um dann doch noch die Bühne zu betreten. So hatten die kriegerischen Hussiten, dargestellt von den Bernauer Briganten um Bernd Eccarius und einer Gruppe aus dem tschechischen Cesky Brod, etwas warten müssen, bevor sie - bewaffnet mit Spießen und Lanzen - den Markt stürmten und großes Unheil androhten.

Der Grund: Weil sich der Naumburger Bischof Gerhard von Goch - diesmal Wilfried Knapp - auf dem Konstanzer Konzil (1414-1418) für die Tötung von Jan Hus ausgesprochen hat, soll die Stadt von den Hussiten geplündert und verwüstet werden. Als jedoch deren Anführer Prokop, seit über 20 Jahren dargestellt von Hartwig Glotze, und dessen Herold alias Andreas Hagedorn die auf den Knien um Gnade flehenden traurigen Kinder sehen, lässt der Prokop das Stadtoberhaupt wissen: „Eure Stadt sei frei!“

„Zum Zeichen dieses Friedens“

Zur Versöhnung reichen die Hussiten im Beisein des schwarz gekleideten Lehrers von der Schul’, dargestellt von Thomas Metzke, den Kindern rote Kirschen. Die Mädchen, gekleidet in weiße Büßerhemden, und die Jungen, mit rot-weiß-geschmückten Stöcken aus der Uta-Schule nahmen die saftigen Früchte als Erfrischung dankend an. Und wie es die Sage will, gelobte OB Küper: „Zum Zeichen dieses Friedens verpflichtet sich der Rat, alljährlich zu Ehren der Kinder ein Fest zu feiern.“ Dann leerten Stadtoberhaupt und Prokop den mit edlem Saale-Unstrut-Wein gefüllten Pokal.

Da war die Kirschfest-Ordnung wieder hergestellt, forderten Mandy Grimme und Bernd Martin die Zuschauer zu „Handgeklapper“ auf. Das Duo moderierte das Geschehen auf dem Markt ebenso wie Simone Rauschenbach und Karsten Knabe am Theaterplatz, wo der Umzug in diesem Jahr um 14 Uhr startete, sowie Hartmut Reszel am Heinrich-von-Stephan-Platz und Tobias Engel am Kramerplatz. So erhielten die insgesamt 1321 Mitwirkenden sowie die etwa 200 Spielleute und Musiker immer wieder Beifall.

Per Sprechfunk von den Mitarbeiterinnen des städtischen Kulturamtes Yvonne Roth und Heike Mattausch über die neue Wegstrecke gelotst, stellten sie in farbenfrohen 29 Bildern das Leben in Naumburg in Geschichte und Gegenwart dar.

Neu dabei: Nikolaus von Amsdorf

Neu im Umzug war ein weiterer Bischof: Nikolaus von Amsdorf. Würdevoll schritt Matthias Tränkner daher, sich der Würde des ersten lutherischen Bischofs Deutschlands voll bewusst. 1552 war Amsdorf von Martin Luther in Naumburg in Amt und Würden gebracht worden. Nicht ohne Gegenwehr, wie die Luther-Feinde um Ralph Steinmeyer den Zuschauern lautstark zu verkünden wussten. Allerdings blieb dies erfolglos. Das neue Kirchenoberhaupt nahm im heiligen Stuhl, montiert auf einem edlen Bollerwagen, den ihm gebührenden Platz ein.

Damit die neue Religion nicht als trockener Glaube verkündet werden musste, folgte ein Wagen mit Luther-Bier. Auch die anderen Bilder geizten nicht mit Originalität, waren teils bis in die Details liebevoll und historisch getreu gestaltet. So präsentierte sich das Heilbad Bad Kösen mit Holger Kreisel als Arzt Christoph Wilhelm Hufeland und dem früheren Bürgermeister Gerd Förster im lilafarbenen Frack. Gemeinderatsvorsitzender Jörg Schütze hingegen stellte mit Prießnitzer Einwohnern eine der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte des Naumburger Ortsteils dar: die Bewahrung von sieben Jünglingen durch napoleonische Soldaten im Jahr 1806. Der Flemminger Burschenverein verwies feucht-fröhlich auf die Pfingsttraditionen und wartete mit dem Steiger-Lied auf.

Schulen bereichern Geschehen

Nicht fehlen im Umzug durfte der Kirschfestverein. Angeführt vom Vorsitzenden Jörg Wiedemann gestalteten die Mitglieder in ihren prächtigen historischen Gewändern das Bild „Und zu Ehren des Mirakel“. Bunt und fröhlich präsentierten sich die Salztor- und die Georgenschüler. Die Kinder der Evangelischen Domschule „Sankt Martin“ trugen Noten und verwiesen so auf das musikalische Profil ihrer Bildungsstätte.

„Seht, das ist er“: Dirk Schmutzler (r.) preist den ersten lutherischen Bischof Deutschlands, Nikolaus von Amsdorf. Würdevoll schreitet Matthias Tränkner daher. 1552 war Amsdorf von Martin Luther in Naumburg in Amt und Würden gebracht worden. Mit diesem Bild, das erstmals im historischen Festumzug zu sehen war, wird an dieses besondere Ereignis der Reformation erinnert. Insgesamt umfasste der Zug 29 Bilder, die von 1321 Mitwirkenden gestaltet wurden. Verantwortlich dafür zeichneten die Stadtverwaltung, der Kirschfestverein sowie weitere Interessenten und Freunde des Kirschfests.
„Seht, das ist er“: Dirk Schmutzler (r.) preist den ersten lutherischen Bischof Deutschlands, Nikolaus von Amsdorf. Würdevoll schreitet Matthias Tränkner daher. 1552 war Amsdorf von Martin Luther in Naumburg in Amt und Würden gebracht worden. Mit diesem Bild, das erstmals im historischen Festumzug zu sehen war, wird an dieses besondere Ereignis der Reformation erinnert. Insgesamt umfasste der Zug 29 Bilder, die von 1321 Mitwirkenden gestaltet wurden. Verantwortlich dafür zeichneten die Stadtverwaltung, der Kirschfestverein sowie weitere Interessenten und Freunde des Kirschfests.
Torsten Biel