1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Burgenlandkreis
  6. >
  7. Kirchscheidungen : Kirchscheidungen : Wenn es drauf ankommt

Kirchscheidungen  Kirchscheidungen : Wenn es drauf ankommt

Von Franziska Fiedler 05.02.2018, 10:02
Im Vordergrund ein Teil des im Oktober 2017 eingeweihten Spielplatzes von Kirchscheidungen. Dahinter die Dorfkirche St. Johannes.
Im Vordergrund ein Teil des im Oktober 2017 eingeweihten Spielplatzes von Kirchscheidungen. Dahinter die Dorfkirche St. Johannes. Fiedler

Sie sind wenig zu begeistern, sie maulen gerne und meinen, dass nichts los sei - tun aber nichts dazu, dies zu ändern“, so das harsche Urteil Martin Reschkes über die Bewohner Kirchscheidungens. „Aber wenn es drauf ankommt, dann stehen alle zusammen“, hält Jörg Dietrich dagegen.

Dietrich und Reschke sind zwei unterschiedliche Temperamente, die seit vier Jahren gemeinsam - vereint als Doppelspitze - den Vorsitz des Gemeindekirchenrates Kirchscheidungen innehaben. Dieser lenkt im Wesentlichen die Geschicke der 309-Seelengemeinde (Stand 30. Januar). Die Kirchenmitglieder im Ort sind rührig. Einmal im Jahr richten sie das Gemeindefest aus - letztes Jahr mit Bilderausstellung und zweistündigem Rockkonzert in der Sankt Johanneskirche. „Das hatte was“, erinnert sich Dietrich.

Jörg Dietrich ist in Kirchscheidungen aufgewachsen. Den Hof „Am Plan“ hat er von seinen Eltern übernommen. 1992 gründete er einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb. Mit Hilfe zweier Mitarbeiter bewirtschaftet er heute eine Fläche von 400 Hektar. Auf seinen Äckern baut er Getreide, Raps, Zuckerrüben, Maiskörner und Hartweizen an. „Kirchscheidungen liegt mir am Herzen“, sagt Dietrich. Ihm ist es wichtig, in der Gemeinde etwas zu bewegen, sich zu engagieren, Anstöße zu geben.

Das war vor allem nach der Eingliederung des Dorfes in die Gemeinde Laucha im Juli 2009 nötig. Nach der Eingemeindung habe der Zusammenhalt im Dorf gelitten, erzählt der Landwirt. „Es gab keinen Bürgermeister mehr vor Ort, der sich um die Belange der Einwohner kümmerte. Der Gemeinderat wurde aufgelöst.“ Kirchscheidungen habe das gleiche Schicksal ereilt wie viele andere Orte auch. Auf einmal sei man auf sich selbst gestellt gewesen. „Das kulturelle Leben drohte einzuschlafen“, so Dietrich, der auch der Vorsitzende des Feuerwehrvereins ist. Diesen habe man aus der Not heraus vor knapp zehn Jahren gegründet. 52 Mitglieder zählt der Verein. Zusammen organisieren die Beteiligten das kulturelle Leben der Gemeinde. Dazu zählen Veranstaltungen wie das Frühlingsfeuer, das Heimatfest oder die Feierlichkeiten zum Martinstag im November.

Das dreitägige Heimat- oder Dorffest, das dieses Jahr vom 8. bis 10. Juni stattfindet, ist einer der Höhepunkte in Kirchscheidungen. Unter Federführung des Feuerwehrvereins versammeln sich die Vereine des Dorfes an einem Tisch und verteilen die Aufgaben. So gehen die Mitglieder des Anglervereins Kirchscheidungen Birken schlagen, um abends vor jedem Gehöft einen Baum aufzustellen. Der Lindenchor gibt sonntags ein Konzert, und der Reit- und Fahrverein bietet für Mädchen und Jungen Kinderreiten an.

Stephan Drese, seit 2006 Vorsitzender des Anglervereins, schätzt das Heimatfest. Es sei wichtig für das öffentliche Leben in Kirchscheidungen. „Damit wollen wir im Dorf den Zusammenhalt fördern“, erklärt er. Darüber hinaus stemmt der Anglerverein, der am 25. Januar 1959 von Heinz Walter gegründet wurde, Arbeitseinsätze am Ufer der Unstrut, lädt zum An- sowie Abangeln und zu Wasserwanderungen ein. Das älteste der knapp 40 Mitglieder, die zum Teil auch aus Wennungen, Burgscheidungen und Tröbsdorf kommen, ist 80 Jahre alt und besitzt die Ehrenmitgliedschaft.

Der Lindenchor wiederum trifft sich einmal wöchentlich im „alten Backhaus“, dem Gemeindezentrum des Ortes. „1992 wurde der Chor von interessierten Musikliebhabern und engagierten Musiklehrerinnen gegründet“, weiß Willy Ideler, der Vorsitzende, zu berichten. Unter der musikalischen Leitung des emsigen Kirchenmusikers Robert Müller treffen sich die 22 Mitglieder wöchentlich zur gemeinsamen Stimmakrobatik. „Jeder Interessierte ist im Chor willkommen und wird sofort integriert“, rührt Ideler die Werbetrommel. Denn auch der Chor hat Mühe, Nachwuchs zu werben. Es komme gar nicht so sehr auf die Stimme an, der Fokus liege auf der Gemeinschaft und dem Zwischenmenschlichen. Ideler findet es sehr schade, dass immer weniger Kirchscheidunger zu den Chorauftritten kommen. Dabei steckten alle Beteiligten viel Zeit in die Proben.

Aber Kirchscheidungen kann nicht nur ein reges Vereinsleben vorweisen. In dem von Bauern und Landwirten geprägten Ort spielt auch Wein keine unbedeutende Rolle. So soll früher fast jeder Bauer einen eigenen kleinen Weinberg besessen haben, und auch heute noch gibt es Privatleute, die ihre Ernte bei der Winzervereinigung abliefern. Mitten im Ort befindet sich zudem das Weingut Klaus Böhme. In den Jahren der Aufbruchsstimmung, nach dem Zusammenbruch der DDR, hatte Böhme es gewagt, sich selbstständig zu machen.

Schritt für Schritt baute er sein Unternehmen auf. Zusammen mit seiner Frau Ina Paris und sechs Angestellten bewirtschaftet er heute zehn Parzellen auf 13 Hektar Fläche auf mehreren Weinbergen entlang der Unstrut.