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Kfz-Handwerk als Männerdomäne? Kfz-Handwerk als Männerdomäne?: Mandy Becker räumt mit Klischee auf

Von Sebastian Münster 22.10.2016, 10:00
Hartes Handwerk: Etwa 30 Reifensätze pro Tag werden bei ATU in Grana derzeit gewechselt. Auch das gehört zu Mandy Beckers Ausbildung.
Hartes Handwerk: Etwa 30 Reifensätze pro Tag werden bei ATU in Grana derzeit gewechselt. Auch das gehört zu Mandy Beckers Ausbildung. René Weimer

Grana - Mandy Becker gehört einem exklusiven Club an. Die Naumburgerin ist eine von deutschlandweit nur 18 weiblichen Auszubildenden, die bei Deutschlands größter Werkstattkette Autoteile Unger (ATU) das Handwerk der Kfz-Mechatronikerin erlernen. Was bei einigen Kunden der Granaer Filiale für interessierte Nachfragen sorgt, findet die 17-Jährige aber völlig normal. „Ich konnte mir nie etwas anderes vorstellen“, berichtet die Auszubildende.

Zum „Girl’s Day“ in die Autowerkstatt

Angefangen hat alles mit einem Praktikum in der achten Klasse. Die damalige Schülerin der Sekundarschule Alexander von Humboldt in Naumburg hatte sich zum „Girl’s Day“ die Arbeit in einer Autowerkstatt angeschaut. Der jährlich stattfindende und vom Bund organisierte Zukunftstag für Mädchen stellt gezielt Berufe vor, in denen der Frauenanteil unter 40 Prozent liegt.

Mandy hatte sofort Feuer gefangen. Für ihr zweiwöchiges Schulpraktikum stürzte sie sich direkt in den Arbeitsalltag zwischen Hebebühnen und Schraubenschlüsseln. Danach war klar: Mandy Becker hat ihren Beruf gefunden.

Familiär vorbelastet ist die angehende Autoexpertin übrigens nicht: „Ich interessiere mich einfach für die Technik. Das kam von ganz allein“, quittiert die Blondine schulterzuckend. Momentan stecken die Werkstätten der Region mitten in der Reifenwechsel-Saison. Es ist die Zeit im Jahr, in der der Beruf besonders anstrengend ist. Doch Mandy schlägt sich auch da sehr erfolgreich, wie ihr Chef Frank Schikora bestätigt.

Anteil der Frauen unter den Auszubildenden der Kfz-Mechatronik liegt bei zwei Prozent

Die aufgeweckte Blondine vereint vermeintliche Gegensätzlichkeiten auf erfrischend selbstverständliche Weise. So spielt die 17-Jährige am liebsten Klavier, wenn sie nicht gerade Autoräder durch die Werkstatt wuchtet. Mandy Becker ist eine von wenigen Ausnahmen, in einem ansonsten von Männern dominierten Beruf. Der Anteil der Frauen unter den Auszubildenden der Kfz-Mechatronik liegt bei zwei Prozent. Das teilte die zuständige Handwerkskammer Halle auf MZ-Nachfrage mit. Die Gründe dafür sieht der Innungsobermeister Rudolf Rübner vor allem in der technischen Ausrichtung des Berufes. „Unser Handwerk gilt unter vielen Frauen klassischerweise nicht unbedingt als interessant“, so der Experte. Die Branche nehme das allerdings nicht unbedingt als Problem wahr – auch wenn ein paar Frauen mehr den Werkstätten der Region nicht unbedingt schaden würden. Rund 40 Nachwuchsmechatroniker verabschiedet der Innungsobermeister pro Jahr in den Beruf. Frauen seien jedes Mal nur eine oder zwei dabei. Diese stünden allerdings besonders gut im Stoff, wie Innungs-Chef Rübner attestiert.

Das müssen sie auch, bestätigt Mandy Becker. Denn mit dem Klischee des Kfz-Handwerks als Männerdomäne aufzuräumen, sei als Frau nicht unbedingt leicht, wie die Auszubildende berichtet. „Ich habe viele Bewerbungen geschrieben. Die einzige Rückmeldung kam von der ATU-Filiale“, erinnert sie sich. Und auch in der Werkstatt im Kretzschauer Ortsteil Grana ist Mandy Becker die erste Frau in der Werkstatt. Ein Experiment, das bislang bestens funktioniert, wie sie findet.

„Qualifizierte Lehrlinge sind immer schwerer zu finden“

Dem stimmt Filialleiter Frank Schikora zu. Die 17-jährige Naumburgerin ist die einzige Auszubildende, die aktuell in der ATU-Filiale lernt. Nicht jedes Jahr bildet der Betrieb aus. „Denn qualifizierte Lehrlinge sind immer schwerer zu finden“, so Schikora. Zwar ist die Nachfrage ungebremst: Laut Handwerkskammer ist der Beruf der KFZ-Mechatronik der beliebteste Handwerksberuf überhaupt unter Jugendlichen auf Ausbildungssuche. „Doch die Schulnoten lassen zu wünschen übrig“, so Schikora.

Ihre Noten sind Mandy Becker besonders wichtig. Denn nach ihrer Ausbildung will sie einem noch exklusiveren Club beitreten: Sie will Kfz-Meisterin. Um auf finanzielle Hilfe hoffen zu dürfen, braucht sie einen Notenschnitt von 1,5. Dann winkt ihr der Zutritt in einen noch exklusiveren Club: Nur etwa jeder 200. Meistertitel im Kfz-Handwerk wird an eine Frau verliehen. (mz)