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Jahresrückblick Jahresrückblick: Pilze sind wegen Trockenheit im Stress

Von Gisela Jäger 16.02.2020, 11:33
Im April finden sich weniger schmackhafte Glimmertintlinge.
Im April finden sich weniger schmackhafte Glimmertintlinge. Jäger

Der Maronenröhrling war zwar nicht der von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) für 2019 auserwählte „Pilz des Jahres“ (das war der tödlich giftige Grüne Knollenblätterpilz), doch der schmackhafte Speisepilz verdient diesen Status zumindest hinsichtlich seiner Wuchsfreudigkeit im Herbst des letzten Jahres. Dass diese Pilzart in so großer Fülle im Ziegelrodaer Forst wuchs, war einmalig, überraschend und außergewöhnlich. Einmalig deswegen, weil Maronen eigentlich bevorzugt in Nadelwäldern wachsen, doch in unseren Laubmischwäldern zunehmend Fuß fassten. Überraschend, weil dem etwas feuchteren Herbst ein extrem heißer und staubtrockener Sommer vorausging, in dem selbst kräftige Rotbuchen schlappmachten. Außergewöhnlich waren die teils steinpilzgroßen kräftigen Fruchtkörper und das fast schon massenhafte Wachsen der Pilze bis weit in den milden November hinein.

Trocken und schneelos

Doch der Reihe nach: Das Pilzjahr 2019 startete erneut mit einem zu trockenen und schneelosen Winter (Februar nur fünf Millimeter Niederschlag), der das Niederschlagsdefizit aus 2018 nicht ausgleichen konnte. Der Frühling bescherte allerdings noch einige Regenabschnitte. Das brachte verschiedene Morchelarten, später wuchsen Maipilze. Das zögerliche Wachstum der Frühlingspilze war den teilweise empfindlichen Spätfrösten und dem Wintereinbruch mit geschlossener Schneedecke am 13. April geschuldet, mancherorts wurde die Vegetation und Baumblüte geschädigt.

Ab Ende Mai, Anfang Juni zeigten Trockenheit, ungewöhnliche Hitze und starke austrocknende Winde ihre nachteilige Wirkung in der Natur (Juni bis August nur 73 Millimeter Niederschlag). Feldkulturen, Wiesen, Wälder und alle weitere Vegetation nahmen durch Trocken- und Hitzestress sichtbare Schäden. Das Pilzwachstum kam fast vollständig zum Erliegen. In den Wäldern zeigten neben Fichten und Kiefern nun zunehmend Rotbuchen Vertrocknungserscheinungen, das frische grüne Laub verdorrte. Insgesamt waren dies schlechte Bedingungen für ein „gutes“ Pilzjahr. Ende Mai waren noch vereinzelt Frühlings- und Röhrlingsarten zu finden. Danach gab es eine „Pause“ bis Mitte September. Ab der zweiten Septemberwoche stellten sich erste Regenfälle ein. Besonders der Dauerregen am 9. September mit 30 Millimeter Niederschlag zeigte ab 17. September eine positive Wirkung. Es konnten die ersten Wiesenchampignons gefunden werden.

Ausgleich dauert länger

Grund ist, dass sich Freiflächen nach der Trockenheit zuerst erholten und der Regen in den Wäldern zunächst von den Bäumen aufgenommen wird. Die Symbiose zwischen Pilz- und Baumwurzel zum gegenseitigen Austausch von Wasserhaushalt und Mineralien benötigt länger, um sich wieder auszugleichen und zu revitalisieren, bevor beispielsweise die beliebten Röhrlinge (Mykorrhiza-Pilze) wachsen können. Wiesen- und Streubewohner unter den Pilzen kommen schneller hervor.

Es folgten nach reichlichen Champignonfunden ab 22. September die ersten Schirmpilze (Parasol- und Safranschirmpilze). Diese traten um den 29. September schon teilweise massenhaft auf (unter anderem Wangener Grund, Langes Gestell im Ziegelrodaer Forst). Am 1. Oktober war es für die Röhrlinge soweit. Unter jungen Kiefern überraschte ein sehr üppiges Wachstum von Butterpilzen und Ringlosen Butterpilzen (Symbiose-Pilze zu Kiefern). Auch Stockschwämmchen (Holzbewohner) fanden sich. Es meldeten sich die ersten Pilzsammler in den Pilzberatungsstellen. „Problempilze“ in dieser Zeit waren auf Wiesen, in Parks und Gärten gefundene Rosablättrige Egerlingsschirmpilze. Diese wurden sehr oft mit Wiesenchampignons verwechselt.

Die Egerlingsschirmpilze galten bislang zwar nicht als giftig, aber unbekömmlich. Es kam bei mehreren Menschen zu starken Beeinträchtigungen des Verdauungssystems bis hin zum Krankenhausaufenthalt. Etwas später waren auch oft die bekannten Karbol- beziehungsweise Giftchampignons zu finden (Tageblatt/MZ berichtete).

In der Folge suchten noch mehr Pilzsammler fachlichen Rat, oft mit vollen Körben. Manchmal blieb dann nicht mehr viel Essbares übrig. Doch es zeigte sich die Dankbarkeit, dass man nun die gesammelten Pilze mit gutem Gewissen verzehren kann. Die Pilzberater unterstützten zudem das Maronen-Monitoring, wobei diese Röhrlinge auf Schwermetall- und besonders Cäsiumgehalt untersucht werden - eine Folge des Kernkraftwerkunglücks in Tschernobyl 1986. Ergebnis in unserer Region: Die Pilze sind unbedenklich und nicht „verstrahlt“.

Die drei Pilzberater im und am Ziegelrodaer Forst hatten seit Jahren wieder überdurchschnittlich viel zu tun. Es wurden 214 Pilzberatungen (in 2018 nur 31) durchgeführt. 2019 nutzten 353 Personen die Beratung. Es wurden 1.169 Pilzbestimmungen durchgeführt. Nicht erfasst sind jene Ratsuchenden, die sich telefonisch für Fragen und Auskünfte unterschiedlicher Thematik gemeldet haben. Zu einem Höhepunkt gestaltete sich der Pilz-Info-Stand zum Naturpark- und Klosterfest in Memleben. Wir haben etwa 46 Pilzarten ausgestellt, über 300 Besucher sahen sie. Gern nahmen Besucher die neuen Pilz-Info-Blätter mit. Zu den gut besuchten Pilzwanderungen musste keiner mit leerem Korb nach Hause gehen.

Meist gefunden: die Marone

Im kurzen Pilzherbst (Mitte September bis Ende November) kamen als häufigste Pilzarten vor: Steinpilze, ungewöhnlich viel Maronen (diese bis letztes November-Wochenende), Rotfüßröhrling, Hexenröhrlinge, Butterpilze, verschiedene (Wiesen-)Champignon, Riesen- und Safranschirmpilz, Nebelkappen, Violette Rötelritterlinge, Krause Glucke, Hallimasch, Stockschwämmchen, Perlpilz, Schopftintling und verschiedene Bovist-Arten. Ungenießbare Arten: Kegelschuppiger Schirmpilz, Breitblättriger Rübling, Rosablättriger Egerlingsschirmpilz (zeitweiliges Massenwachstum), Gelbbraune und Fuchsige Trichterlinge und andere. Giftpilze: Karbolchampignon, Gelber Knollenblätterpilz, Weiße Trichterlinge, Kahler Krempling, Grünblättriger Schwefelkopf und Rettichhelmling. Überraschend spät konnten Ende Oktober noch ein tödlich giftiger Grüner Knollenblätterpilz (Bad Bibra) und ein Pantherpilz (Gutschbachgrund bei Bad Bibra) gefunden werden. Als meistgefundener Speisepilz ragt die Marone heraus.

Gewohnte Arten rückläufig

Im derzeit milden Winter ist in den Wäldern einiges los. Momentan wachsen die essbaren Winterpilzarten Samtfußrübling und Austernseitling sowie verschiedene Trichterlinge. Bemerkenswert ist zudem, dass einige früher sehr seltene und wärmeliebende Pilzarten sich hier ausbreiten, während gewohnte Arten wie Rotkappen, Birkenpilze, Täublinge und Milchlinge rückläufig sind.

Die Pilzfreunde sind gespannt, was das Jahr 2020 an Überraschungen bereithält. Eins ist sicher, von dem derzeitigen „grünen Winter“ und der vermeintlich nassen Flur sollte sich niemand täuschen lassen. Die Grundwasserreserven sind längst nicht aufgefüllt, denn mit 420 Millimeter Gesamtniederschlagsmenge 2019 (Raum Bad Bibra-Bucha) klafft ein Minus von etwa 100 Millimeter zum regionalen Durchschnitt, mit dem Defizit aus 2018 sind es inzwischen rund 220 Millimeter, die uns fehlen. Die Wetterprognosen versprechen auch keine größeren Schnee- oder Regenfälle in den kommenden Wintertagen. Der Wetterverlauf ähnelt fast dem Vorjahr. Man kann für die Natur nur auf eine Trendwende hoffen.

Bereits im März wächst das essbare Judasohr an einer umgestürzten Rotbuche.
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Jäger
Zum Naturpark- und Klosterfest in Memleben zeigt und erklärt Pilzberater Hartmut Berger die Formen- und Farbenvielfalt in 46 verschiedenen ausgestellten Pilzarten.
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Der sehr giftige Grüne Knollenblätterpilz ist 2019 „Pilz des Jahres“, aber nicht häufig zu finden.
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Jäger