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Heimatstube Possenhain Heimatstube Possenhain: "Kosakenschnitzel" für 495

Von Albrecht Günther 16.02.2018, 09:35
Freisitz der Naumburger HO-Gaststätte auf dem Markt. Heute befindet sich in dem Gebäude das Amtsgericht.
Freisitz der Naumburger HO-Gaststätte auf dem Markt. Heute befindet sich in dem Gebäude das Amtsgericht. Hans-Gieter Speck (Aus Buch „Naumburg“)

Naumburg - „Sauerbraten, Rotkohl, Kartoffelklöße und Apfelstücke“ für 4,50 oder „Hammelbraten, grüne Bohnen, Klöße und Apfelstücke“ für 3,70 - das waren noch Zeiten, mag der Gaststättenbesucher heutiger Zeit da denken. Entnommen sind diese Preise der Mittagskarte der Naumburger HO-Gaststätte „Ratskeller“ vom März 1983. Allerdings: Damals wurde noch mit DDR-Mark, nicht mit Euro bezahlt. Aufgetaucht ist diese vom Gaststättenleiter Kollege Agthe mit dem DDR-typischen Ormig-Abzug angefertigte Speisekarte in der Heimatstube Possenhain.

„Drushba“ mit Freisitz

Das von der Interessengemeinschaft Possenhainer Heimatfreunde mit ihrem Leiter Frank Schulze an der Spitze betreute kleine Heimatmuseum konnte im Herbst vergangenen Jahres sein 20-jähriges Bestehen feiern. Zu den Materialien zur Heimatgeschichte, die Einwohner aus Possenhain und Schönburg der Gemeinschaft einst übergaben, gehört auch eine kleine Sammlung Naumburger und Bad Kösener Speisekarten aus DDR-Zeit. Da sie sich nicht auf das einstige Leben in den beiden Dörfern beziehen, übergab sie Frank Schulze der Redaktion unserer Zeitung.

Viele alte Naumburger kennen sie noch, die am Markt gelegene Gaststätte „Drushba“. Heute befindet sich in dem prominenten Gebäude das Amtsgericht. Als einziges Lokal der Innenstadt verfügte das der deutsch-sowjetischen Freundschaft gewidmete Haus über eine Freifläche mit 84 Plätzen. Hans-Dieter Speck, langjähriger Tageblatt-Redakteur, weiß in seinem Buch „Naumburg - Als die Schornsteine noch rauchten“ zu berichten, dass Horst Sindermann, 1. Sekretär der Bezirksleitung, diese bereits Ende der 60er-Jahre angeregt hatte.

Kollegin Däumichen

Im „Drushba“ galt mit der Preisstufe III auf der Skala von eins bis fünf eine mittlere Kategorie. So verlangten Gaststättenleiterin Kollegin Däumichen und Küchenleiter Kollege Rauch - so weist es die am 11. März 1983 erstellte Speisekarte aus - für einen Teller Nudelsuppe mit Rindfleisch 80 Pfennig. Für Aal in Aspik als Vorspeise allerdings - sage einer noch, in der DDR sei nicht gut gelebt worden - musste der Gast mit 5,70 Mark tief in die Tasche greifen. Um dem Restaurant-Namen gerecht zu werden, zauberte die Küche auch zwei vermeintlich „von den Freunden“ stammende Gerichte: „Kosakenschnitzel“ für 4,95 Mark und „Zwei Rühreier kaukasisch mit Weißbrot“ für 1,55 Mark. Wie die im kapitalistischen Ausland viel gegessenen Pommes frites, die zum „Kosakenschnitzel“ gereicht wurden, mit der Sowjetunion in Einklang gebracht werden konnten, verrät die Speisekarte nicht. Wichtiger war sowieso: Es schmeckt. Auch ansonsten ging es mit „Strammer Max mit Gewürzgurke“ für 2,75 Mark oder der Aufschnittplatte „Tauziehen“ mit Schweinebraten, Kasslerbraten und Schinken für 5,30 Mark eher deutsch-rustikal zu. Bemerkenswert außerdem: Die DDR-Küche war auch vegetarisch. So kostete im Haus „Drushba“ der Salatteller, angeboten in der Rubrik „Rohkost“, 75 Pfennig.

Im „Hof“ Preisstufe II

Preisgünstig essen konnten die Gäste in der HO-Gaststätte „Deutscher Hof“. Dort galt Preisstufe II. Für „Krautroulade, Salzkartoffeln, Salatteller und ein Apfel“ wurden 2,40 Mark verlangt, für die Gulaschsuppe 85 Pfennig. Wie auf den Speisekarten anderer HO-Lokale der DDR vermerkte auch „Hof“-Gaststättenleiter Kollege Schülke am 10. März 1983 auf seiner Karte: „Unsere Mitarbeiter sind angewiesen, jedem Gast bei Kassierung die Speisen- beziehungsweise Getränkekarten vorzulegen“. Offenbar, so war wohl zu den Oberen der volkseigenen Handelsorganisation gedrungen, hatten in manch anderer DDR-Gaststätte die Kellner ihre eigene Rechnung gemacht.

Durchaus üppig für DDR-Verhältnisse im Gegensatz zu den Speisen, so zeigt ein Blick in die Weinkarte der HO-Gaststätte „Ratskeller“, waren die Preise für gehobene Getränke.

Auf dem Saal, wo nur Flaschen serviert wurden, kam die 0,7-Liter-Flasche algerischer Rotwein „Le Grand“ 11,90 Mark. Für einen Liter bulgarischen Wermutwein „Vinprom“ wurden 21,95 Mark verlangt. Dagegen nahm sich der DDR-„Bacchus“ mit 10,50 Mark beinahe billig aus. Der italienische „Merano“ kostete 15,35 Mark, der spanische „Valencia“ 14,65. Und wer es krachen lassen wollte, der ließ sich eine Flasche Rotkäppchen-Sekt „Grand Moussex rot“ für 25,50 Mark bringen.

„Kurgarten“ und „Vorwärts“

Ähnlich gestalteten sich die Preise in der Bad Kösener HO-Gaststätte „Kurgarten“. Spitzenreiter war in der Weinkarte dort der Rotkäppchen-Sekt „1856“ mit 27,50 Mark, wie Gaststättenleiter Kollege Becker auf der Karte vom 16. März 1983 angibt. Die Flasche Müller-Thurgau dagegen kostete 8,10 Mark. In der vom Kollegen Ruckhaber geleiteten HO-Gaststätte „Vorwärts“ - heute befindet sich dort das Bad Kösener „Ritterbad“-Careé - musste der Gast für „Rinderbraten, Rotkohl, Kartoffeln, ein Apfel“ 3,70 Mark berappen. In der Naumburger Tanzgaststätte „Stadt Naumburg“, damals an der Ecke Luisenstraße/Jakobsring, vermerkt die von 16 bis 22 Uhr geltende Karte für ein „Bratenbrot“ 1,95 und für „Zigeunersteak, Pommes frites, Salat“ 3,80 Mark der DDR.

Mit Ormig-Verfahren gedruckte Speisekarte der Naumburger HO-Gaststätte „Deutscher Hof“ für die Zeit vom 10. bis 16. März 1983.
Mit Ormig-Verfahren gedruckte Speisekarte der Naumburger HO-Gaststätte „Deutscher Hof“ für die Zeit vom 10. bis 16. März 1983.
Tageblatt/MZ