Handel in Naumburg Handel in Naumburg: In Stadt und Welt zu Hause

Naumburg - Matthias Becker bekleidete viele Ämter. Er war Geschäftsinhaber, Chorsänger, Stadtrat, Vorsitzender des Innenstadtvereins und Präsident des Rotary Clubs. 15 Jahre lang war er zudem Bischof - allerdings nur im Umzug des Hussiten-Kirschfests und zur Eröffnung des Weihnachtsmarktes. Am morgigen Sonntag feiert der Naumburger seinen 70. Geburtstag, vor einigen Tagen hat er das Fotogeschäft in die bewährten Hände seines 43-jährigen Sohnes Wolfram Becker gelegt. „Ich habe mich schon seit Jahren langsam zurückgezogen. Es ist richtig, auch aufzuhören“, sagt Becker, der seinem Sohn zur Seite steht, weiterhin dann und wann im Laden in der Jakobsstraße präsent sein wird.
Das Traditionsgeschäft der Familie könnte als ein Abbild der technischen Entwicklung dienen. Becker hat den Wandel von analog zu digital selbst miterlebt. „Das war eine stürmische Zeit, die unvorstellbar viel an Innovationen und Investitionen gefordert hat“, sagt er. Es ist gefühlt noch gar nicht so lange her, dass Kunden Filmrollen auf die Theke gelegt oder durch den Briefkastenschlitz im einstigen Geschäft in der Marienstraße geworfen haben. In der DDR gingen die künftigen Aufnahmen sogar per Post nach Naumburg auf Reisen. Denn das Labor der Beckers war eines von 14 Großannahmestellen für Farbentwicklung. Dank des Lizenzvertrags mit dem Volkseigenen Betrieb Filmfabrik Agfa Wolfen aus dem Jahr 1954. Zu Spitzenzeiten wurden pro Minute 200 Liter Wasser benötigt, um die Chemikalien zu spülen. Heute kommen die Kunden mit einem Chip oder einen USB-Stick. Wenn überhaupt, denn das einstige Kerngeschäft wurde zur Nische. „Wir haben heute nur noch wenige Filme zu entwickeln“, sagt Becker, der an der Technischen Universität Dresden Kartografie studiert und promoviert hatte sowie im Jahr 1980 das Geschäft von seinem Vater übernahm. Mittlerweile sind das Fotostudio und der Verkauf von Mobiltelefonen wichtige Standbeine des Familienunternehmens. „Außerdem punkten wir mit Service, Beratung und Freundlichkeit“, erzählt der noch 69-Jährige und verweist zudem darauf, wie wichtig vor allem Diskretion in der Foto-Branche ist. „Ich habe schon viel gesehen.“
Eine Aussage, die man nicht nur auf die vielen privaten, vielleicht auch brisanten Aufnahmen, die im Labor in all den Jahren entwickelt wurden, beziehen kann. Matthias Becker verdient auch die Bezeichnung Weltenbummler, der nicht nur Europa, sondern auch exotische Winkel der Erde besucht hat. Mexiko und Indien, Japan zur Kirschblüte - ein Wunsch seiner verstorbenen Frau Gisela. Auch den Himalaya und die Osterinseln hat er gesehen. Auf den Archipel im Südostpazifik reiste er mit 60 Filmen - kurz nach den Terror-Anschlägen am 11. September 2001 in den USA. „Jede einzelne Rolle musste ich bei der Sicherheitskontrolle auf dem Flughafen auspacken“, erinnert sich Becker. Den kommenden Ruhestand will er gezielt nutzen, um die Welt gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Gudrun Lindner weiter zu erkunden. Vietnam und Kambodscha stehen als Wunschziele ganz oben auf der Liste. Doch nicht nur fremde Länder und Kontinente haben es dem zweifachen Vater - Sohn Nummer zwei, Ulrich, ist Jurist in Frankfurt/Main - angetan. Kurzerhand hat er mehrere dicke Hefter in der Hand. „150 Stück habe ich von denen“, bemerkt Becker. Beschriftet sind diese mit Rudelsburg, Jakobsstraße oder Innenstadtverein. Sie enthalten Stadtgeschichte, jeder Hefter widmet sich einem bestimmten Thema. „Ich mag es, am Computer zu sitzen und Dinge auszuarbeiten.“ Der Naumburger hat einen Lehrgang zum Gästeführer absolviert. Einigen Kollegen hat er die eine oder andere Anekdote verraten. Zudem hat er die Lizenz, im Dom Führungen für Besucher zu machen. Die Landesausstellung 2011 sowie die Schritte zum Welterbe nennt Becker eine besondere Zeit. Für seine Heimatstadt wünscht er sich mehr Sauberkeit. Auch in der Gastronomie gebe es Nachholbedarf, so Becker.
Eines schließt er mit dem Ruhestand jedoch aus: Matthias Becker will nicht mehr in den Gemeinderat zurückkehren. Von 2004 bis 2014 gehörte er als parteiloses Mitglied der CDU-Fraktion an. Im Mai kommenden Jahres finden die Kommunalwahlen statt, wird auch ein Naumburger Gemeinderat gewählt. „Es müssen jüngere Leute ran“, so Becker.