Domgymnasium Naumburg Domgymnasium Naumburg: Mit "Anders Wie" in Kiel überzeugt

Naumburg/Kiel - Sich eine Woche lang thematisch nur mit Theater zu beschäftigen - für zehn Schüler des Domgymnasiums Naumburg war das kaum vorstellbar. Dass das doch gut möglich ist, erfuhren die Zehnt- bis Zwölftklässler, die der Theater AG „Domartisten“ angehören, fernab der Heimat. Mit ihrem politischen Theaterstück „Anders Wie“ hatten sie sich Sachsen-Anhalt-weit für die Teilnahme am Festival „Schultheater der Länder“ qualifiziert. Für dieses waren sie am 16. September nach Kiel gereist.
Auch wenn es nicht um Platzierungen ging, sondern allein um die Präsentation der Theaterstücke und den Erfahrungsaustausch mit anderen „Theaterverrückten“, sei die Anspannung vor der Abfahrt groß gewesen, erinnert sich AG-Leiter Henry Elstermann, seines Zeichens Deutschlehrer am Domgymnasium. So sagte er seiner Theatergruppe einst: „Wir fahren dahin und spielen so gut wir können und genießen diese Woche“. Wieder zurück wüssten die jungen Laienschauspieler, laut Elstermann, nun: „Genießen ist auch anstrengend.“ Die sieben Schülerinnen und vier Schüler, wobei einer als ehemaliger Dom-Gymnasiast der Theater AG treu geblieben ist, hatten ein volles Programm zu absolvieren. „8.30 Uhr haben wir die Jugendherberge stets verlassen und kehrten jeweils erst gegen 20.30 Uhr zurück“, erzählt der Pädagoge. In den Stunden dazwischen besuchten sie zehn der teils parallel stattfindenden 16 Theater-Aufführungen, nahmen an der einen oder anderen Nachbesprechung teil, absolvierten einen Workshop-Tag und standen selbstverständlich mit ihrem Stück im Rampenlicht.
Dieses fiel bereits am Anreisetag auf jede der 16 Theatergruppen. Denn mit einer kleinen Präsentation galt es, sich den anderen Teilnehmern vorzustellen. Dafür sollten sie, so die Vorgabe des Veranstalters, in Anlehnung an das Festivalmotto „Flagge zeigen - Theater und Politik“ im Vorfeld eine eigene Fahne entwerfen und auch ein Standbild, das die Gruppe zeigt. So ließen die Domartisten auf ihrer Fahne Phönix aus der Asche steigen. Für das Foto hatten sie sich um das Nietzsche-Denkmal auf dem Holzmarkt aufgestellt. Die Motivwahl kam nicht von Ungefähr. Nietzsche-Zitate bilden den Rahmen ihres Schauspiels.
Schlaglichtartig zeige das als Collage angelegte Stück auf, „wie die politische und mediale Wirklichkeit wahrgenommen wird, ohne Lösungsansätze zu bieten“, so Elstermann. Mit Nietzsche-Worten wie „Möchte ein Sturm kommen“ deuten die Domartisten an, dass eine Veränderung fällig ist. Derzeit sei in der Gesellschaft eine Verunsicherung zu spüren. Nichts sei mehr wie früher, es gebe nichts mehr, an dem man sich festhalten könne. „Da gibt es eine Parallele zum Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Verunsicherung damals endete im Weltkrieg. Das kann aber nicht der Sturm sein, den wir meinen“, so Elstermann. In ihrem knapp einstündigen Stück thematisieren sie den Wirtschaftslobbyismus in der Politik, den als Individualität getarnten Konformismus, den Rechts- und Linksextremismus, die Flüchtlingsproblematik und die von den Einschaltquoten beseelten Auswüchse medialer Angebote. „Eine Intension war auch, zu zeigen, dass gesellschaftliche Debatten nur geführt werden, aber keine Veränderungen daraus erwachsen“, so der AG-Leiter.
Groß war die Freude, dass nicht nur die versteckten Aussagen des Stückes erkannt wurden, sondern auch von Theaterwissenschaftlern und anderen Experten die schauspielerische Leistung der Naumburger gewürdigt wurde. Sie waren schließlich eine der wenigen Gruppen, die das Theater als AG betreiben. In vielen Bundesländern gibt es an Gymnasien den Kurs „Darstellendes Spiel“. Dass sie sich nicht hinter diesen „Kursen“ verstecken mussten ist auch Theaterpädagogin Katja Preuß zu verdanken, die die Domartisten gecoacht und nach Kiel begleitet hat.