1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Burgenlandkreis
  6. >
  7. Was "Bares für Rares" damit zu tun hat: DKW baute 1929 Bobby-Cars für Kinder in Naumburg

Was "Bares für Rares" damit zu tun hat DKW baute 1929 Bobby-Cars für Kinder in Naumburg

Von Constanze Matthes 23.02.2019, 14:24
So wurden die Bobby-Cars beworben
So wurden die Bobby-Cars beworben Audi-Archiv

Naumburg - Die Geschichte von „Blitz“ und „Teufelchen“ ist eine nahezu vergessene. Nur wenige wissen, dass in Naumburg 1929 und 1930 die DKW Zschopauer Motorenwerke Tretautos mit den Namen „Blitz“, „Teufelchen“, „Pfeil“ und „Sausebraus“ für Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren herstellen ließen.

Passomobil hieß das Unternehmen. Firmengründer war Kurt Adolf Ulrich Passow, ein gebürtiger Berliner und Sohn des früheren Leiters der Ohrenklinik an der Charité, Karl Adolf Passow.

Einer, der sich intensiv mit dieser Geschichte beschäftigt und mit „Blitz“ und „Teufelchen“ zwei DKW-Tretautos sein Eigen nennt, ist der Chemnitzer Eckart Holler. Seit Jahren sammelt er Kinderfahrzeuge, die in Gelenau (Erzgebirge) im Depot Pohl-Ströher ausgestellt sind und besichtigt werden können.

Geboren und aufgewachsen in der Nähe von Chemnitz muss man „Benzin im Blut“ haben, schreibt der 74-Jährige auf seiner Internetseite, die ein Fenster in die Welt historischer Kinderfahrzeuge ist.

Schon seit jeher hat er sich mit Autos und Technik beschäftigt. Er fuhr Rallyes, arbeitete nach Lehre und Studium in verschiedenen Entwicklungsabteilungen im Fahrzeugbau. Nach der Wende begann er, Oldtimer zu restaurieren.

Bares für Rares: Fernsehsendung mit Bobbycar aus Naumburg

2002 lernte er die Schweizer Wella-Erbin und Mäzenin Erika Pohl-Ströher kennen. Heute vereint ein nach ihr benanntes Depot in Gelenau im Erzgebirge mehrere ihrer Sammlungen unter einem Dach.

Holler begann dafür, Tretautos zu sammeln. Über einen Wiener Sammler kam er in Besitz eines „Teufelchens“. Für den Ankauf des „Blitz“ brauchte er mehr Geduld: „Eine junge Frau rief mich an, dass sie das Tretauto ihres Großvaters verkaufen will. Schließlich entschied sie sich jedoch, das Fahrzeug in der Fernsehsendung ’Bares für Rares’ anzubieten“, berichtet Holler.

Über Umwege und mit viel Glück gelang es ihm trotzdem, das Spielzeug zu erwerben.

Haben die Tretautos in der Grundversion einst zwischen 35 und 54 Reichsmark, in der Vollausstattung rund 95 Reichsmark gekostet, sei ein heutiger Preis schwer abzuschätzen, wie Holler meint. „Wer nicht weiß, was er da hat, nimmt 1000 Euro. Dabei kann das Stück oft ein Vielfaches wert sein. Auf Auktionen werden teils utopische Preise aufgerufen.“

Die Spuren führen auch nach Hessen, in die Stadt Maintal. Ralf Kopmann zählt zu den Mitbegründern des DKW Motorrad Clubs. „Da bei DKW außer Motorrädern und Automobilen auch Stationär-Motoren und Kühlschränke gefertigt wurden, interessieren mich alle Produkte, die DKW zum Kauf anbot“, erzählt Kopmann.

In einer Zeitschrift aus dem Jahr 1930 las er schließlich von den Tretautos. „Noch nie hatte ich bis dato ein solches Stück im Original gesehen.“ Nur historische Zeugnisse wie Werbung oder Zeitschriften bewiesen die Existenz des Spielzeugs.

Doch dann entdeckte sein Freund Jörgen Rasmussen, der Enkel des DKW-Gründers Jørgen Skafte Rasmussen (1878-1964), im März 2008 bei eBay vier Tretautos - mit dem DKW-Schriftzug versehen, auf der Platte eines Karussells befestigt und ohne Achsen, Tretmechanismus sowie Rädern vom Originalzustand weit entfernt.

Es stellte sich heraus, dass der Verkäufer im Besitz vier weiterer Stücke war. In Rasmussens Werkstatt wurden alle mit viel Aufwand aufgearbeitet. Eines konnte an Audi-Tradition in Ingolstadt übergeben werden. „Die Faszination liegt in der Seltenheit dieser Teile“, so Kopmann.

Dies ist für den ehemaligen Naumburger Matthias Dittrich, der heute im hessischen Biedenkopf bei Marburg lebt, Grund genug, seine alljährlich stattfindende Motorrad-Fahrt nun DKW zu widmen. 2018 tourte er auf den Spuren der Automobilmarke Peter & Moritz, die in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen begeht. 1919 im thüringischen Eisenberg gegründet, zog das Unternehmen 1922, zwei Jahre nach der Patentanmeldung für einen Motorwagen, nach Naumburg um. 1925 ging die Firma in Konkurs. Dittrich, der als Diplom-Ingenieur tätig ist, recherchierte akribisch zur Geschichte der Firma.

Und auch die Historie der DKW-Tretautos hat es ihm angetan, wobei beide Unternehmen vermutlich etwas verbindet. Laut Thomas Reichenbach von den Oldtimerfreunden Naumburg gibt es ein Schriftstück, mit dem einst Passomobil darum bat, das Wagenhaus der Bismarckkaserne in der Weißenfelser Straße, in dem einst Wagen der Marke Peter & Moritz hergestellt wurden, zu mieten. (mz)