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Cauerwitz Cauerwitz: Das Dorf mit dem Turm

Von Albrecht Günther 07.03.2017, 10:21

Nein, verfehlen können die Cauerwitzer ihr kleines Dorf nicht. Ebenso Besucher. Fragen diese nach dem Weg, erhalten sie, gleich aus welcher Richtung sie kommen, die Antwort: Dort, wo der Wasserturm steht. Das imposante, etwas oberhalb des Ortes stehende Bauwerk übt einen besonderen Reiz aus. Als auf der Bahnstrecke Zeitz-Camburg noch die Dampflokomotiven schnauften, um Personenwagen sowie beispielsweise mit Zuckerrüben beladene Güterwagen zu ziehen, war der Bahnhof Cauerwitz eine wichtige Zwischenstation. Dort „tankten“ die Dampfrösser Wasser nach, um dann den Rest der Strecke bewältigen zu können. Das ist längst Geschichte. Am 1. Januar 1998 wurde der Güterverkehr eingestellt, zwei Jahre später kam für die 1897 eröffnete Bahnlinie gänzlich das Aus.

Dort, wo einst Schienen und Schwellen lagen, zieht sich nun ein Asphaltband dahin. Ein im Dezember 2008 gegründeter Förderverein, dem neben der Verbandsgemeinde Wethautal mehrere Kommunen und Partner angehören, hat einen großen Teil der ehemaligen Bahnlinie in den Zuckerbahn-Radweg verwandelt. Ohne größeres Gefälle überwinden zu müssen, lässt es sich inmitten der Natur gemütlich oder auch sportlich radeln, skaten oder laufen. Am Wasserturm angekommen, legen Radler und Wanderer nicht nur wegen der in der Nähe aufgestellten Sitzgruppe gern eine Rast ein. Ebenso wie der benachbarte einstige Bahnhof weckt der vor einigen Jahren sanierte Turm, der sich in Privatbesitz befindet, das Interesse.

„Nach Stilllegung der Bahnstrecke war es uns als Gemeinde wichtig, dass der Turm erhalten bleibt“, erinnert sich Friedhelm Duderstedt. Der in der Region als Herr der Gänse bekannte Bauer war von 1993 bis 2009 ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Utenbach, zu der neben Cauerwitz auch Seiselitz gehörte. Ein Jahr später erfolgte die Eingemeindung nach Löbitz, das anschließend mit weiteren Wethautal-Orten zur Gemeinde Mertendorf fusionierte. „Wir wollten damals einerseits so viel dörfliche Tradition als möglich erhalten, andererseits den Anschluss an das moderne Leben nicht verpassen“, beschreibt Duderstedt diese Zeit. So wurde innerhalb der Dorferneuerung der kleine, zentral gelegene Platz neu gestaltet, konnte im Juni 2005 eine neue Leitung in Betrieb genommen werden, die das Dorf mit Trinkwasser versorgt. Heute ist ein anderes Thema in den Fokus gerückt: die Versorgung mit schnellem Internet. Wie in vielen anderen Dörfern des Burgenlandkreises ist auch Cauerwitz in dieser Hinsicht beinahe ein weißer Fleck. So musste auch Andreas Goldmann zunächst zum mobilen Internet greifen, um mit seinem Motorradteile-Handel in Cauerwitz starten zu können.

Seit dem 1. Februar 2016 ist der 54-jährige Ex-Münchener Besitzer des in der Ortsmitte gelegenen Gehöftes, in dem bis zur Wende die Bäuerliche Handelsgenosseschaft (BHG) ihr Domizil hatte. Danach kam der Gebäudekomplex in Privatbesitz, stand schließlich mehrere Jahre leer. Zusammen mit seiner Partnerin Franziska Held, die als Rechtsanwaltsfachangestellte in Jena arbeitet, habe er in der Nähe seiner Schwiegereltern zunächst im Großraum Leipzig ein geeignetes Objekt gesucht, um einen neuen Lebensmittelpunkt zu finden, berichtet Goldmann. „Dann sind wir im Internet auf diesen Hof hier in Cauerwitz aufmerksam geworden und waren sofort angetan.“

Von Mitte Februar bis Mitte Mai 2016 habe der Umzug gedauert, mussten doch vor allem die rund 10000 Motorrad-Ersatzteile die Reise von Bayern nach Sachsen-Anhalt antreten. „Insgesamt 17000 Kilometer sind wir hin und her gefahren“, hat Goldmann ermittelt. Am Gehöft, auf dessen Grundstein die Jahreszahl 1862 zu finden ist, haben die neuen Eigentümer indes etliches zu tun. „Wir setzen uns jedoch nicht unter Druck, gehen Schritt für Schritt vor.“

So ist Andreas Goldmann derzeit vor allem in der benachbarten Scheune zu finden, die immerhin eine Grundfläche von 400 Quadratmetern besitzt, um sie in ein riesiges Lager zu verwandeln. Per Internet kommen die Bestellungen aus Deutschland, Europa und zuletzt sogar aus Südamerika im 45-Einwohner-Dorf Cauerwitz an, werden innerhalb kürzester Zeit bearbeitet - und ab geht die Post. Und wie ist das mit dem Wechsel aus der westdeutschen Großstadt in die ostdeutsche Provinz? „In München ist man wie in einem Hamsterrad, hier ist das Leben natürlich, und wir fühlen uns sehr wohl.“ Da störe auch das Geschrei der 4000 Gänse und 1000 Enten während deren „Freigang“ nicht, die im angrenzenden Duderstedtschen Hof gehalten werden. Goldmanns Kommentar: „Das ist mir lieber als das Geräusch von 5000 Autos.“

Seit 1995 ist Friedhelm Duderstedt als Bauer tätig. „Zuvor habe ich den Hof nebenberuflich geführt, allerdings war mir bald klar, dass ich mit ganzem Herzen Bauer sein wollte“, schildert der Wiedereinrichter, der anfangs rund 45 Hektar bewirtschaftet hatte. Neben dem Federvieh gehören 100 Mutterschafe, die Zuchtsauenhaltung und eine Pferdezucht zum Duder-stedtschen Tierreich. Hinzu kommen 450 Hektar Ackerland, auf dem vor allem Raps, Zuckerrüben und Weizen wachsen, sowie 70 Hektar Grünland. 13 Jahre stand Duderstedt dem Bauernverband Burgenlandkreis vor, hat er sich für den Berufsstand engagiert. Aus seiner Befürwortung einer Kappungsgrenze für große Betriebe macht der Landwirt inzwischen keinen Hehl mehr. „Ansonsten wird es für kleine Unternehmen, die als Wiedereinrichter gestartet sind, in der Zukunft sehr schwer“, warnt Duderstedt. Ebenso sieht er die kommunale Entwicklung kritisch. „Mit der Vergrößerung der Gemeinden und deren Beitritt zur Verbandsgemeinde geht dörflicher Zusammenhalt verloren“, ist sich Duderstedt sicher, der im Ehrenamt dem Mertendorfer Gemeinderat und dem Wethautal-Verbandsgemeinderat angehört. Erfreulich sei es da, dass etliche junge Familien das Dorf als Wohnort schätzen und aufs Land ziehen. „Und hoffentlich trägt auch der neue Radweg zur touristischen Belebung des Wethautals bei“, wünscht sich Friedhelm Duderstedt.

Für die Feiern zum Himmelfahrtstag, die Konrad Mehlhorn auf dem Freisitz am ehemaligen Gasthof „Blaue Blume“ organisiert, ist der Radweg bereits jetzt schon ein „Zubringer“. Der gelernte Zimmermann hat das Haus vor einigen Jahren erworben und mit dessen Sanierung begonnen. „In den letzten zwei Jahren haben die Arbeiten etwas geruht, das lag an meiner beruflichen Tätigkeit“, sagt Mehlhorn. Das Haus soll zwar nicht als öffentliche Gaststätte betrieben werden, jedoch für private und dörfliche Feiern genutzt werden können. Außerdem will Mehlhorn mit Gleichgesinnten für den kommenden Männertag ein umfangreiches Angebot auf die Beine stellen.

Von Feldern umgeben schmiegt sich Cauerwitz langgestreckt an den Lauf der Wethau. Der Wasserturm, inzwischen in Privatbesitz, prägt das Ortsbild. Zu den guten Geistern des Dorfes gehört Friedhelm Duderstedt. Der Bauer bewirtschaftet Acker- sowie Grünland und hält neben Gänsen und Enten 100 Mutterschafe. Andreas Goldmann hat die Gebäude der früheren Bäuerlichen Handelsgenossenschaft erworben. Der Ex-Münchener saniert sie und betreibt dort einen Internet-Handel für Motorrad-Ersatzteile.
Von Feldern umgeben schmiegt sich Cauerwitz langgestreckt an den Lauf der Wethau. Der Wasserturm, inzwischen in Privatbesitz, prägt das Ortsbild. Zu den guten Geistern des Dorfes gehört Friedhelm Duderstedt. Der Bauer bewirtschaftet Acker- sowie Grünland und hält neben Gänsen und Enten 100 Mutterschafe. Andreas Goldmann hat die Gebäude der früheren Bäuerlichen Handelsgenossenschaft erworben. Der Ex-Münchener saniert sie und betreibt dort einen Internet-Handel für Motorrad-Ersatzteile.
Biel