Boxen Boxen : Dominic Bösel holt sich den EM-Titel

Weissenfels/Freyburg - Kurz vor Mitternacht war es soweit. Der Lautstärkepegel in der ausverkauften Weißenfelser Stadthalle erreichte seinen absoluten Höhepunkt, als der Queens-Evergreen „We are the Champions“ aus den Boxen dröhnte, goldsilbernes Konfetti von der Decke fiel und 3300 Zuschauer ihren Dominic Bösel feierten. Der hatte seinen italienischen Kontrahenten Serhiy Demchenko nach Punkten (116:112, 116:112 und 118:111 ) klar besiegt und präsentierte nun stolz seinen neuen Europameister-Gürtel.
In der großen SES-Boxnacht stand der 28-jährige Lokalmatador Bösel dem zehn Jahre älteren Demchenko aus Italien im Hauptkampf um den vakanten Europameistertitel im Halbschwergewicht gegenüber. Eine hochinteressante Paarung, da es das Duell der deutschen gegen die italienische Nummer eins im Halbschwergewicht war.
Beste Unterhaltung für Fans
Und die beiden Kämpfer hielten definitiv, was die Ansetzung auf dem Papier versprach und unterhielten die Fans prächtig. Bösel dominierte von Beginn an den Kampf und landete schon in der ersten Runde immer wieder vereinzelte Treffer. Demchenko, der gebürtig aus der Ukraine stammt, legte einen außergewöhnlichen Boxstil an den Tag. Zumeist komplett aufrecht stehend, wirkte er streckenweise regelrecht unbeteiligt, griff aus dieser Konstellation aber immer wieder überraschend und explosionsartig an. Zu Beginn konnte er durch sehr konsequente und recht hohe Deckungsarbeit etwaige Wirkungstreffer Bösels verhindern.
Anschließend präsentierte sich Demchenko in den folgenden Runden aktiver und konnte des Öfteren seinerseits Treffer landen. Spätestens ab der vierten Runde aber machte Bösel immer wieder deutlich, wie sehr er diesen EM–Titel für sich verbuchen wollte. Direkt aus der Ringecke kommend, startete er die meisten Runden mit explosiven Angriffswellen. Gerade mit Schnelligkeit konnte er seinen Kontrahenten immer wieder überraschen. Dabei kam des Öfteren auch seine starke rechte Gerade durch und landete Wirkungstreffer.
In den meisten Fällen konnte Demchenko diese aber gut wegstecken und kompensieren. Auch ein blutender Riss über dem linken Auge des Kontrahenten aus Italien, den dieser sich bereits in Runde zwei zugezogen hatte und der in den Pausen nach der sechsten und achten Runde in der Ecke intensiv verarztet werden musste, konnte Bösels Kontrahenten nicht aufhalten.
Großes Durchhaltevermögen
„Hut ab vor diesem Gegner und dass er zwölf Runden durchgehalten hat“, meinte anschließend auch MDR-Boxexperte und Ex-Weltmeister im Supermittelgewicht, Markus Beyer. Schon vor dem Kampf hatte er gewarnt: „Ein schwerer Gegner, der kann richtig zuhauen.“ Und das sollte der auch noch unter Beweis stellen dürfen. Nachdem Bösel die ersten acht Runden teilweise äußerst souverän für sich entscheiden konnte, sah der Italiener zunächst seine Chancen schwinden, begann dann aber in der neunten Runde mit einer imposanten Aufholjagd. Ständig im Vorwärtsgang schlagend und kombinierend, zwang er Bösel in die Verteidigung und konnte punkten.
Mitte der elften Runde gelang Demchenko, der sich nun nur noch im Vorwärtsgang befand und den K.o.-Treffer suchte, ein äußerst harter linker Leberhaken, zudem schlug er Bösel kurz danach unabsichtlich auf den Hinterkopf. Schwer beeindruckt von diesem Treffer begab sich Bösel in der letzten Runde nur noch in die Defensive und steckte zahlreiche Treffer des Römers ein.
Stadthalle bebt
„Ich glaube ohne euch hätte ich diese letzte Runde nicht mehr überstanden“, meinte Bösel in Richtung seiner wieder zahlreich erschienenen Fans in Weißenfels, deren Anfeuerungsjubel insbesondere zum Ende des Kampfes die Stadthalle regelrecht beben ließen. Zugleich zollte der Freyburger seinem Gegner Respekt: „Er ist ein richtig harter Hund. Nach dem Lebertreffer in der 11. Runde hatte ich meine Niederlage im Kopf, und der Plan war, nichts mehr zu riskieren und so am Ende die Deckung zuzumachen.“ Für Bösel SES-Promoter Ulf Steinforth war diese Taktik in Ordnung: „Ich kann Dominic verstehen, dass er am Ende Ende nur noch den Titel absichern wollte.“
Trotz der gewonnenen Europameisterschaft zeigte sich hingegen Bösels Trainer Dirk Dzemski nicht restlos zufrieden. Dabei kritisierte er in erster Linie die letzten zwei Runden seines Schützlings. „Menschlich kann ich das gut verstehen. Er wusste, dass er nach Punkten klar vorn lag und wollte den Kampf nur noch sicher rumkriegen“, so Dzemski, „aber aus sportlicher Sicht kann man das geschickter lösen. Da werden wir drüber sprechen müssen.“
Am Kampftag zum Friseur
Grundlage der starken Leistung Bösels über weite Strecken des Kampfes war die gute Vorbereitung gewesen, die der Freyburger verletzungs- und erkältungsfrei überstanden hatte. Locker und gelöst gab er sich noch kurz vor dem Duell mit Demchenko, plauderte darüber, dass er wie immer gut geschlafen hätte und noch mal beim Friseur gewesen sei.
Das Haareschneiden scheint jedenfalls Glück gebracht zu haben. Und sollte es tatsächlich schon bald zum Duell mit Bösels Stallkollege Enrico Kölling, der in Weißenfels bereits in der ersten Runde seinen georgischen Gegner Georgi Berushvili niederschlug, kommen, wird sich Dominic Bösels Friseur wohl wieder über Besuch freuen können.