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Bildung  Bildung : Heinecke: "Haben Weg gefunden"

09.02.2020, 15:34
Für Schulleiter Dirk Heinecke lassen sich die vorgegebenen Corona-Vorsichtsmaßnahmen im Alltag des Naumburger Domgymnasium kaum umsetzen.
Für Schulleiter Dirk Heinecke lassen sich die vorgegebenen Corona-Vorsichtsmaßnahmen im Alltag des Naumburger Domgymnasium kaum umsetzen. Archiv (Torsten Biel)

Naumburg - Drei Jahre ist es her, dass Dirk Heinecke, zuvor Lehrer in Schulpforte, die Leitung des Naumburger Domgymnasiums übernahm. Über seine bisherigen Erfahrungen an dem Haus mit etwa 900 Schülern und 70 Lehrern sprach Redakteur Harald Boltze mit dem 53-Jährigen.

Die erste Direktorenstelle tritt man sicher mit großen Erwartungen an. Was lief wie erhofft und was nicht?

Dirk Heinecke: Das Aufgabengebiet stellt sich als viel umfangreicher dar, als man es erwartet. Man ist ein Diener vieler Herrn: des Schulamtes in Sachen Personal, des Ministeriums in Sachen Lehrplan und des Landkreises bezüglich der sachlichen Ausstattung. Hinzu kommt die vielfältige Netzwerkarbeit mit Naumburger Vereinen und Institutionen. Sie verankert uns in der Stadt, was mir sehr wichtig ist. Es kostet aber auch viel Zeit.

In puncto Lehrpersonal sieht es in Sachsen-Anhalt düster aus. Wie gehen Sie damit um?

Ja, die Lage ist im Land dramatisch. Doch wir haben für uns einen Weg gefunden. Wir setzen ganz intensiv auf das Anwerben und die Integration von Praktikanten. Wenn sich diese wohlfühlen, kommen sie als Referendare und später als Lehrer wieder. 17 junge Kollegen haben wir so in den vergangenen drei Jahren gewinnen können.

Wobei doch eigentlich das Land die Stellen und Pädagogen zuweist?

Richtig. Doch wenn ein junger Lehrer sagt, er will unbedingt ans Domgymnasium oder er geht stattdessen in ein anderes Bundesland, haben wir gute Chancen.

Bekommt man durch Eigeninitiative den Personalmangel tatsächlich in den Griff?

Ich will ehrlich bleiben. Die Stundenabdeckung ist immer noch unser größtes Problem. Da gibt es Luft nach oben. Zum Beispiel war ich gezwungen, über einen längeren Zeitraum den Kunstunterricht für drei Jahrgangsstufen komplett entfallen zu lassen. Doch nun haben wir in diesem Bereich zwei neue Kollegen bekommen, und auch für andere Fächer wurden uns bis zum Sommer vier Stellen zugesagt, so dass wir dann so aufgestellt sind, wie ich es mir vorstelle. Auch, da wir erfolgreich für eine zweite Festanstellung bei den Hausmeistern und im Sekretariat gekämpft haben.

Welches weitere Thema hat sie seit 2017 stark beschäftigt?

Die Digitalisierung. Der Burgenlandkreis spielt da eine massive Vorreiterrolle. Wir sind hier im Haus bis auf einen Breitbandanschluss, der demnächst kommen soll, bestens ausgestattet. Es gibt Beamer und Whiteboards in jeder Klasse. Zudem finden eine inhaltliche Betreuung durch den Kreis und viele sinnvolle Fortbildungen statt, denn ...

... die moderne Ausstattung ist nichts wert, wenn sie von den Lehrern nicht genutzt wird.

Richtig. Doch unsere jungen Kollegen haben das alles drauf. Und was mich am meisten freut: Auch die älteren zeigen sich immer offener dafür. Wobei ich festhalten will, dass es schon vor meiner Zeit in diesem Punkt einige sehr engagierte Kollegen gab. Vieles wird durch die Technik einfacher: Die Schüler haben Zugriff auf den Vertretungsplan per App, sehen ihre Noten online, können Materialien in virtuellen Lerngruppen bearbeiten.

Haben diese modernen Methoden auch Nachteile?

Es gilt wie immer: Sie müssen richtig eingesetzt werden. Handys sind im Unterricht - außer, wenn es der Lehrer für eine spezielle Sache erlaubt - verboten. In der Pause sind sie genehmigt - alles andere wäre weltfremd. Leider haben wir es aber, vor allem in den jungen Klassen, weiterhin stark mit Cybermobbing zu tun.

Was tun Sie dagegen?

Wir haben eine Kooperation mit dem Jugendzentrum Otto, die darauf spezialisiert sind. Prävention steht da an erster Stelle. Übrigens genau wie beim Drogenproblem, das ebenfalls immens ist.

Auch bei Ihnen direkt auf dem Schulgelände?

Das nicht. Aber Drogen sind - das hören wir von allen Seiten - für viele Jugendliche mittlerweile normaler Teil des Alltags, vor allem Cannabis, was ich keineswegs für harmlos, sondern für eine gefährliche Einstiegsdroge halte. Die Dealer warten auf die Zwölf- bis 14-Jährigen und schenken es ihnen, um sie anzulocken. Da müssen wir mit der Prävention vorher ansetzen.

Die Halbjahreszeugnisse sind raus. Viele Schüler und Eltern mussten schlechte Noten zur Kenntnis nehmen. Können Sie den Trend bestätigen, dass zu viele Kinder aufs Gymnasium geschickt werden?

Ja, den Trend gibt es seit einigen Jahren. Manche Eltern ignorieren die Empfehlungen der Grundschule und schätzen ihr Kind falsch ein. Das ist in einigen Fällen richtig gefährlich, da Überforderung in Verweigerung umschlagen kann. Zudem kann in den meist kleineren Klassen der Sekundarschulen viel enger betreut werden. Wir haben hier extrem volle Klassen.

Ist das vor allem ein Naumburger Problem? Dass hier etliche Eltern sagen: „Wenn ich keinen Platz auf der Freien Schule bekomme, schicke ich mein Kind lieber aufs Gymnasium.“

Nein, das glaube ich nicht. Auch Kollegen aus anderen Städten im Land berichten mir davon.

Ein Ziel von Ihnen war es, die Verbundenheit der Schüler mit ihrer Schule, also dem Domgymnasium, zu stärken. Zum Beispiel haben Sie die Verbreitung von Pullovern und T-Shirts mit einem neuen Schullogo unterstützt. Wurde das Ziel erreicht?

Ich denke schon. Das Logo ist etabliert und kommt gut an. Was mir zusätzlich gefällt: Es wird langsam wieder cool, gute Leistungen zu bringen. Die Wertschätzung für Erfolge bei diversen Olympiaden steigt - wie auch unsere Teilnehmerzahlen, was vor allem an den Lehrern liegt, die wieder verstärkt bereit sind, den zusätzlichen Aufwand für die Betreuung dieser Wettbewerbe auf sich zu nehmen.

Wie läuft Ihr Angebot der Speakers Corner?

Gut. Einmal im Monat stelle ich mich auf den Hof und nehme Fragen, Wünsche und Anregungen an. Natürlich können die Schüler dazu auch jederzeit in mein Büro kommen. Doch ist die Hemmschwelle natürlich größer.

Was sind da die häufigsten Themen?

Dass sich jemand ungerecht behandelt fühlt. Dem gehen wir dann auch nach. Zudem gibt es immer wieder Wünsche nach Sportgeräten auf dem Hof. Da hoffen wir jetzt, einen umzäunten Bolzplatz errichten zu können. Und alles, was mit Umweltschutz zu tun hat, wird angesprochen. Fridays For Future ist bei unseren Schülern ein großes Thema, und wir unterstützen das.

Steht 2020 ein besonderes Ereignis in Ihrer Schule an?

Ja, unser Förderverein, der Bund alter Naumburger Domschüler, feiert sein 100-jähriges Bestehen und wird in einem großen Festakt am 19. Juni im Rahmen des Hoffestes geehrt.

Es gibt im Land immer weniger Pädagogen, die Schulleiter sein wollen. Gab es in den letzten drei Jahren einen Tag, an dem Sie Ihren Wechsel aus Schulpforte bereut haben?

Nein. Ich kann reinen Gewissens sagen, dass ich jeden Tag mit Freude zur Arbeit gegangen bin. Und da ich - glaube ich - keinen einzigen Tag krank gewesen bin, war das ziemlich oft.