Bauern Bauern : Nächtlicher Konvoi in die Hauptstadt

Osterfeld - Für Martin Große wurde es eine lange Nacht. Als der Landwirt aus der Agrargenossenschaft Schkölen kurz vor 23.30 Uhr in Osterfeld in die Fahrerkanzel seines Traktors steigt, liegen über 200 Kilometer Autobahn vor ihm. Gemeinsam mit 43 weiteren Traktoren kommt er am frühen Dienstagmorgen in Berlin nahe dem Brandenburger Tor an. „Mir ist es sehr wichtig, an dieser Demonstration mitzuwirken, schließlich geht es um die Zukunft unseres Berufsstandes“, sagt der junge Mann aus dem benachbarten Thüringen vor dem Start des Konvois. In Berlin stoßen die Sachsen-Anhalter und Thüringer auf Bauern aus dem gesamten Bundesgebiet. Gemeinsam beteiligen sie sich an der von der Interessengemeinschaft „Land schafft Verbindung“ Sachsen-Anhalt initiierten Demo.
An seinem Traktor hat er ein Schild befestigt, das auf eines der Probleme der Bauern aufmerksam macht: Immer weniger Menschen wissen noch etwas über Feldwirtschaft und Tierhaltung sowie darüber, welch umfangreichen Anforderungen Bauern gerecht werden, um täglich qualitätsvolle und preiswerte Lebensmittel zu erzeugen.
Nach und nach treffen die Traktoren am späten Montagabend auf dem Gelände der Landtechnik Steigra GmbH in Osterfeld ein. Sie kommen aus dem Burgenlandkreis sowie aus Thüringen. „Wir unterstützen die Protestaktion der Bauern ausdrücklich, denn wir kennen ihre Sorgen und ihre Situation. Also nicht nur wegen der Nähe zur A 9 haben wir uns sofort bereit erklärt, unser Gelände als Sammelpunkt für die Traktoren zur Verfügung zu stellen“, berichtet Niederlassungsleiter Sebastian Döbler. 40 Mitarbeiter und vier Lehrlinge beschäftigt das Unternehmen an den drei Standorten in Steigra, Osterfeld und Beyernaumburg. Zur Stärkung der Fahrer halten Döbler und sein Team in der Werkstatthalle Brötchen und Getränke bereit.
Dort trifft gegen 22 Uhr auch Andreas Baum ein. Der Geschäftsführer der Agrargesellschaft Großwilsdorf mbH hat die Vorbereitung und Organisation des Konvois mit Start in Osterfeld übernommen. „Zu Beginn des Aufrufs war die Reaktion noch verhalten, aber die Zahl der Teilnehmer hatte sich dann rasch auf über 40 erhöht“, schildert Baum. „Als Bauernstand vermissen wir zunehmend die Akzeptanz in der Gesellschaft, wir werden als Buhmänner dargestellt“, so Baum. Viele Landwirte beklagten außerdem das fehlende Verständnis selbst in den Dörfern für deren Tätigkeit. „In der täglichen Arbeit bemühen wir uns, so viel wie möglich Rücksicht zu nehmen, aber das Wetter lässt sich nicht beeinflussen. Außerdem sind wir von anderen Faktoren abhängig,“ verweist Baum beispielsweise auf die Düngeverordnung sowie die Vorgaben von Europäischer Union, Bund und Land.
So erschwere eine übertriebene Bürokratie die Arbeit des Berufsstandes. Es gehe den Bauern also nicht, wie Kritiker der Demo unterstellen, vorrangig ums Geld, sondern um ihre Situation und ihre Zukunft. Nicht verhehlen will Andreas Baum jedoch, dass die Landwirte aufgrund der beiden Dürrejahre auch finanziell teils erhebliche Einbußen haben hinnehmen müssen.
Dann gibt Baum den Startschuss. Begleitet von zwei Polizeiautos, die den Konvoi auf die Autobahn geleiten und ohne Pause bis zur Landesgrenze zu Brandenburg begleiten, fahren die Traktoren los.