Barrierefreiheit Barrierefreiheit : Nicht jeder Weg ist für jeden

Naumburg - Das Beste kommt zum Schluss. Besser gesagt: die Station mit dem größten Kopfschüttel-Potenzial. Sie ist am Naumburger Wenzelsring zu finden. Zu sehen sind derzeit nur einige Betonsteine als Borde gesetzt. „Das sollte eine Bushaltestelle werden, die nun wieder zurückgebaut wird“, sagt Steffi Schikor, Naumburgs Gleichstellungsbeauftragte. Gemeinsam mit der Kreis-Behindertenbeauftragten Ines Prassler sowie Menschen mit Behinderung und Angehörigen führt sie einen Städtetest durch. Die Tour durch die Innenstadt, die schon traditionell und regelmäßig in Naumburg stattgefunden hat, soll zeigen, welche Orte Menschen mit den verschiedensten Handicaps vor Probleme stellen.
Die Haltestelle am Wenzelsring wäre nicht nur für Betroffene zur Gefahrenquelle geworden. Sie sollte den Busstopp in der Weimarer Straße ersetzen. Nicht nur, dass die Breite ohne einen Gedanken an Rollstuhlfahrer oder Kinderwagen geplant wurde. Die Haltestelle liegt direkt zwischen der Bundesstraße und den Gleisen der Straßenbahn - im Abstand von nur einigen Zentimetern! Eine Haltebucht gibt es nicht. „Viel zu gefährlich“, sagt Maik Malguth, der im Rollstuhl, einem sogenannten E-Handbike, sitzt und als Teilhabemanager in der Kreisverwaltung tätig ist. Weder sei die Kreisbehindertenbeauftragte noch die Arbeitsgruppe Inklusion des Bündnisses für Familie Naumburg in die Planungen eingebunden gewesen, mahnen Ines Prassler und Steffi Schikor an.
Doch nicht nur diese letzte Station des Städtetests im Rahmen des Aktionsmonats Mai für die Belange von Menschen mit Behinderung beweist, dass diese tagtäglich vor Herausforderungen stehen. Schon die erste Station, die öffentliche Toilette am Rathaus, bildet ein Hindernis für Rollstuhlfahrer Sven Härtel. Die Zufahrt ist zu steil. Aus eigener Kraft bewältigt er den Weg zum Eingang nicht. Auch die Toilette an der Vogelwiese kann er nicht nutzen, da es unmöglich ist, rückwärts zu fahren und gleichzeitig die Tür zu schließen. Zudem ist das WC zugestellt mit Stühlen und einem Regal.
Mehrere Geschäfte werden besucht. Im Viba-Laden legt eine Mitarbeiterin ein Kantholz hin, damit Rollstuhlfahrer über die erhöhte Schwelle fahren können. Doch auch Geschäfte, in denen Regale und Waren eng stehen, sind ein Problem. Im Kino informiert Cineplex-Chef Rudolf Reulbach über die Apps Greta und Starks, mit denen Seh- sowie Hörbehinderte Filme erleben können. Die Wasserrinne am Holzmarkt wird für Menschen mit Sehbehinderung wie Corinna und Uwe Blum indes zur Stolperfalle, die schon seit Jahren in der Kritik der Interessenvertreter steht. Ohne Erfolg. Im Übrigen sind bei diesem Rundgang weder Stadträte noch weitere Verwaltungsmitarbeiter anwesend - trotz Einladung.
