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Aus dem Rathaus Naumburg Aus dem Rathaus Naumburg: Was folgt auf Mobbing-Urteil?

Von Harald Boltze 10.05.2019, 07:27
Rathaus Naumburg
Rathaus Naumburg Hellfritzsch

Naumburg - Es war die Nachricht in Naumburg, als in den Osterferien bekannt wurde, dass Oberbürgermeister Bernward Küper (CDU) wegen Mobbings ein Schmerzensgeld von 23.000 Euro an seine ehemalige Mitarbeiterin Kirsten Wilke zahlen muss. Das Urteil des Verwaltungsgerichtes Halle sorgte für viele Diskussionen. Tageblatt/MZ fasst Reaktionen und Folgen zusammen.

Noch mal in Kürze: Was hat der OB gemacht?

Das Gericht gab Kirsten Wilke in ihren Anschuldigungen Recht: Nachdem sie Küpers Konkurrenten bei der vergangenen OB-Wahl unterstützt und Küper das Vertrauen zu ihr verloren hatte (diesen Grund gab er vor Gericht zu), wurde die Fachbereichsleiterin „degradiert“. Dabei handelte Küper jedoch rechtswidrig. Er beschnitt Kompetenzen und gab Wilke, die eine hoch dotierte A-14-Stelle besaß, viel zu wenige und sogar unsinnige Aufgaben, wie in mehreren Verfahren festgestellt wurde. Dass Küper diese Gerichtsurteile wiederholt ignorierte, wurde jüngst von der 5. Kammer als „systematisches“ und „typisches“ Mobbing gewertet.

Hinzu kam weiteres Fehlverhalten: dass die Umsetzung (laut Gericht „Schikane“) per Telefon im Krankenstand der Geschädigten erfolgte, dass sie danach in eine dunkle, nicht dem Arbeitsschutz entsprechende Dachbodenkammer abgeschoben wurde, dass Küper eine Wilke-kritische Stellungnahme des Personalrats auf der Homepage der Stadt veröffentlichte, dass er ihr ungefragt ein Dienstzeugnis ausstellte, wie man es eigentlich nur bei der Beendigung eines Beamtenverhältnisses macht. Das Gericht sah dabei keinen Zweifel, dass dieses Mobbing in Zusammenhang mit der psychischen Erkrankung steht, an der die damalige Chef-Juristin der Stadt weit mehr als ein Jahr litt.

Sieht OB Küper sein Fehlverhalten ein?

Im Verfahren war dies nicht ersichtlich. Auf Anfrage von Tageblatt/MZ heißt es in einer Stellungnahme lediglich, der Konflikt sei „bedauerlich“. „Die Aussagen, die das Urteil zu Mobbing trifft, werden durch den Oberbürgermeister sehr ernst genommen.“

Wie ehrlich diese Aussage ist, darf angezweifelt werden. Als 2015 entschieden wurde, dass die Stadt Frau Wilke nicht amtsangemessen beschäftigt, schwänzte der OB trotz persönlicher Vorladung den Prozesstermin, was die Richter entzürnte und sie eine 500-Euro-Geldstrafe gegen Küper persönlich verhängten (die später jedoch erlassen wurde). Wie es heißt, soll nun Küper, diesmal wegen Mobbings angeklagt, wieder versucht haben, der Sitzung fernzubleiben und erst auf Nachdruck des Richters erschienen sein.

Ist das Urteil rechtskräftig?

„So gut wie“, könnte man meinen. Noch bis Sonntag kann die Stadt beim Oberverwaltungsgericht (OVG) die Zulassung der Berufung beantragen. Ob man dies macht, wird derzeit laut Rathaus noch „in Erwägung gezogen“. Doch selbst wenn dieser Antrag gestellt wird, ist die Chance auf Zulassung durch das OVG sehr gering, wie Prozessbeobachter einschätzen. Zudem: neuer Prozess, weitere Kosten.

Hätte der OB die Geldstrafe verhindern können?

Naheliegende Antwort: Natürlich, wenn er das Fehlverhalten unterlassen hätte. Realistische Antwort: Ja, wenn er gemerkt hätte, dass er in der Sache bei den diversen Verfahren nie Recht bekommt, er seine Strategie geändert und eine Lösung gesucht hätte. Überraschende Antwort: Ja, sogar noch kurz vorm jüngsten Urteil. Wie Tageblatt/MZ im Gespräch mit Kirsten Wilke erfuhr, sei es zum Vergleichsvorschlag gekommen. Wilke: „Hätte sich der OB bei mir entschuldigt und das Mobbing zugegeben, hätte ich mich mit einem symbolischen Euro zufriedengegeben.“ Dieses Angebot aber habe der OB ausgeschlagen.

Wer bezahlt nun die Strafe?

Sollte diese rechtskräftig werden, liegt sie zuzüglich Zinsen und Verfahrenskosten wohl weit über der 30000-Euro-Marke (nur für den jüngsten Mobbing-Fall; hinsichtlich aller Küper-Wilke-Prozesse hatte Stadtrat Jan Thyen einst eine Kostenanfrage gestellt, jedoch laut eigener Aussage keine Antwort erhalten).

Anzunehmen ist eigentlich, dass die im jüngsten Verfahren entstandenen Kosten durch die Versicherung der Stadt, den sogenannten Kommunalen Schadenausgleich (KSA) gedeckt werden. Jedoch beschreibt das Verwaltungsgericht das Mobbing des OB als „schuldhaft (vorsätzlich)“. Und dass Versicherungsleistungen und Vorsatz selten zusammenpassen, ist bekannt. Ob die Strafe, so sie rechtskräftig wird, also an der Stadt hängen bleibt, ist noch spekulativ. Zumal die KSA jegliche Anfragen zum laufenden Verfahren abblockt und OB Küper alle Tageblatt/MZ-Nachfragen zu seiner kurzen Stellungnahme ins Leere laufen ließ.

Könnte es sogar sein, dass der OB das Geld aus seiner eigenen Tasche bezahlen muss?

Diese Forderung, die auf Facebook von vielen Nutzern gestellt wurde, klingt populistisch, ist aber gar nicht so weit hergeholt. Beispiele, dass Politiker für Fehlverhalten persönlich haftbar gemacht wurden, gibt es genügend. Ob hier der Gemeinderat diese Forderung erheben würde, ist ebenfalls spekulativ. Der derzeitige Ratsvorsitzende Jörg Schütze (CDU) gibt sich ob des laufenden Verfahrens und der Unklarheit zu Strafe und Versicherung sehr zurückhaltend: „Sollte es so weit kommen, müssten wir das in den Gremien diskutieren.“ Jan Thyen, Fraktionsvorsitzender der Linken, meinte: „Ich könnte es mir jetzt einfach machen und es fordern, bin da aber unentschlossen. Anders sieht es aus, wenn er jetzt tatsächlich noch mal in Berufung gehen sollte. Dagegen würde ich im Rat kämpfen, denn das Urteil ist absolut eindeutig.“

Was macht Kirsten Wilke mit dem Schmerzensgeld?

Sollte sie dieses tatsächlich erhalten, will sie 10000 Euro an die Lebenshilfe Naumburg spenden. Hintergrund ist, dass sie selbst einen geistig behinderten Sohn hat, „der an der gesamten Situation sehr gelitten“ habe. „Mir ging es nie um das Geld, sondern um die Wiederherstellung meiner Reputation - deswegen auch mein Vergleichsvorschlag.“

Ist das Kapitel „Küper gegen Wilke“ damit abgeschlossen?

Sollte es nicht zur Berufung kommen, scheint es so. Nachdem sie sich 2016 um eine „Versetzung“ zum Burgenlandkreis gekümmert hat, arbeitet Kirsten Wilke dort seit 2017 als persönliche Referentin des Landrats und fühlt sich „sehr wohl“. Sie sagt: „Die Prozesse haben viel Kraft gekostet. Ich habe sie auch geführt, weil ich weiß, dass es vielen Kollegen im Rathaus ähnlich geht.“

Einst städtische Fachbereichsleiterin für Recht und Ordnung, heute die persönliche Referentin des Landrats: Kirsten Wilke.
Einst städtische Fachbereichsleiterin für Recht und Ordnung, heute die persönliche Referentin des Landrats: Kirsten Wilke.
Biel
Oberbürgermeister Bernward Küper bezeichnet den Konflikt mit der ehemaligen städtischen Beamtin als „bedauerlich“.
Oberbürgermeister Bernward Küper bezeichnet den Konflikt mit der ehemaligen städtischen Beamtin als „bedauerlich“.
Biel