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Archäologie  Archäologie : Hockergrab, älter als Naumburger Dom

Von Wieland Führ 25.01.2021, 08:49
Die Archäologin Claudia Schaller aus Halle dokumentiert die Grabungsfläche vor dem Kreuzgang des Naumburger Doms.
Die Archäologin Claudia Schaller aus Halle dokumentiert die Grabungsfläche vor dem Kreuzgang des Naumburger Doms. Wieland Führ

Naumburg - Es war ein Routineauftrag für das mobile archäologische Team des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle unter der Leitung der Archäologin Claudia Schaller gewesen: die wissenschaftliche Begleitung von Bauarbeiten am und im Dom zu Naumburg in den vergangenen Tagen. Eine gesetzliche Vorgabe im Bereich der Denkmalpflege, die für private Bauherren ebenso wie für eine Institution gilt, die seit 2018 auf der Welterbeliste der Unesco steht.

Im Bereich südlich des Eingangs zum Kreuzgang und nahe der Nikolaikapelle war im Januar das Bodenniveau behindertengerecht angeglichen worden. Deshalb musste ein in älterer Zeit aufgeschüttetes Plateau mit hinderlichen Stufen entfernt werden. Die Erwartungshaltung auf einen außergewöhnlichen Fund war gering, hatte es bereits gerade in diesem Gelände in den vergangenen Jahrhunderten zahlreiche Bodenbewegungen gegeben.

Mit Spachtel und Pinsel

„Äußerst kooperativ“ sei das Bauunternehmen gewesen, erzählt die Archäologin. Vorerst jedoch war in den abgetragenen Bodenschichten nichts Außergewöhnliches gefunden worden. Bald sollte es auch mit der wissenschaftlichen Beaufsichtigung der Bauarbeiten zu Ende gehen; die neue Pflasterung folgt in den kommenden Tagen. Ein Weg, über den bald wieder Zehntausende Touristen aus aller Welt und zahlreiche Gottesdienstbesucher gehen werden.

Am vergangenen Freitag - bei trübem Wetter und zeitweiligen Regenfällen - gab es dann doch eine kleine Sensation. Hellere Profile zeichneten sich im Boden ab. Nach der Arbeit mit Spachtel und Pinsel wurde sofort klar: Es handelt sich bei dem archäologischen Fund um zwei vollständige Skelette. Nicht ganz ungewöhnlich, befand sich doch in der unmittelbaren Nachbarschaft der alte Friedhof der Marienkirche am Dom, der bis Anfang des 16. Jahrhunderts belegt wurde.

Eines der beiden nebeneinander liegenden Skelette passt allerdings nicht in das bekannte Schema einer gen Osten gerichteten christlichen Bestattung mit ausgestrecktem Körper. Das außergewöhnlich seitlich niedergelegte Skelett ist eine klassische Hockerbestattung, ein sogenanntes Hockergrab. Der Leichnam wurde dabei mit stark angewinkelten Armen und Beinen beerdigt.

Hockergräber gehören zu den ältesten Bestattungsformen der Menschheit. Diese Art reicht weit in die jüngere Altsteinzeit zurück und blieb bis zur Bronzezeit die häufigste Form. Bei wenigen Völkern wird diese Beerdigungssitte auch heute noch angewendet. Auf unsere Region bezogen ist demnach zu vermuten, dass der oder die Beerdigte mit den zur Nikolaikapelle gerichteten Füßen aus vorchristlicher Zeit stammt, also bevor der Naumburger Dom in seiner ersten Form vor etwa 1.000 Jahren gebaut worden war.

Untersuchungen folgen

Endgültige Befunde werden sich bei den nachfolgenden wissenschaftlichen Untersuchungen am Landesmuseum in Halle ergeben, nachdem Claudia Schaller zuvor jedes Detail der Fundstelle vor Ort akribisch dokumentiert hat. Ein Glücksfall am Ende der ersten Arbeitswochen im neuen Jahr. „Ich freue mich, dass ich so einen schönen Job habe und gerade in Corona-Zeiten an der frischen Luft arbeiten darf“, sagte die junge Spezialistin für Archäologie des Mittelalters, die in Jena und Halle studiert hat. Nun werden die archäologischen Funde sachgerecht dem Boden entnommen und in das Landesmuseum für Vorgeschichte nach Halle gebracht.

Während der Grabung entdeckt: ein außergewöhnliches Hockergrab am Naumburger Dom.
Während der Grabung entdeckt: ein außergewöhnliches Hockergrab am Naumburger Dom.
Wieland Führ