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Analphabeten im Burgenlandkreis Analphabeten im Burgenlandkreis: Jeder Buchstabe eine Hürde

Von Petra Wozny 26.07.2017, 08:44
Buchstabensalat - für jeden zweiten Analphabeten ist es im Job schwierig, sich durchzumogeln.
Buchstabensalat - für jeden zweiten Analphabeten ist es im Job schwierig, sich durchzumogeln. dpa

Weißenfels - Diese Zahlen machen sprachlos: „Jeder Zehnte im Burgenlandkreis ist auf unterschiedlichem Level Analphabet“, resümiert Manuela Andrich, Leiterin der Volkshochschule des Burgenlandkreises, und schürft noch tiefer in der Statistik: Im Burgenlandkreis gibt es rund 680 Menschen, die nicht lesen und schreiben können. Hinzu kommen etwa 4.530, die fehlerhaft Worte schreiben können. 11.750 haben Schwierigkeiten, Sätze zu erfassen und schriftlich wiederzugeben.

Mehr als 40 Prozent der Analphabeten sind im Alter zwischen 50 und 65 Jahren. Weit über 59 Prozent stehen im Berufsleben und mogeln sich durch den Alltag, wenngleich sie meist in weniger qualifizierten Jobs etwa im Gastgewerbe oder auf dem Bau tätig sind. Fast 20 Prozent der Analphabeten zwischen Weißenfels, Naumburg und Zeitz haben keinen Berufsabschluss. Und noch eine Zahl: Zirka 60 Prozent des Klientel sind Männer.

Analphabetismus wurde über Jahrzehnte tabuisiert

Analphabetismus - das ist ein Thema, was über Jahrzehnte tabuisiert wurde. „Natürlich ist das in einem Land mit Schulpflicht ein Armutszeugnis. Damit schmückt man sich ja nicht“, so die VHS-Leiterin. Die Volkshochschulen wollen nun neue Wege gehen, um mehr Menschen Lesen und Schreiben beizubringen. „Es geht nicht mehr, dass wir sagen, wir sind die Guten und nun kommt mal in unsere Kurse“, ist vom Geschäftsführer des Landesverbandes der Volkshochschulen in Sachsen-Anhalt, Uwe Jahns, zu hören.

Seit Jahren gebe es Alphabetisierungskurse, so auch im Burgenlandkreis, mit insgesamt etwa 2.000 Teilnehmern. Aber im Land müssten sich nach jüngsten Erhebungen rund 200.000 Menschen ohne Grundkenntnisse im Lesen, Schreiben, Rechnen durch den Alltag kämpfen.

Burgenlandkreis beteiligt sich am Modellprojekt „Alpha-Kommunal-Transfer“

Der Burgenlandkreis beteiligt sich neben dem Saalekreis und dem Landkreis Mansfeld-Südharz am Modellprojekt „Alpha-Kommunal-Transfer.“ Das Land stellt dafür 110.000 Euro zur Verfügung. Ziel ist es, das Thema Analphabetentum in den Kommunen zu etablieren. Ein regionales Netzwerk soll das umsetzen. Auf Kreisebene soll ein lokaler Grundbildungsbeauftragter eingesetzt werden. Auf Landesebene werden entsprechende Koordinierungsstellen eingerichtet - im kommenden Jahr soll in Sachsen-Anhalt eine Landesstrategie stehen.

„Bis zum Herbst kommenden Jahres werden wir mit verschiedenen Partnern in der Region neue Maßnahmen auflegen, die das Thema ins Bewusstsein bringen und Analphabetismus beseitigen helfen“, so Andrich. Dafür müssten zunächst die eigenen Mitarbeiter sensibilisiert werden. „Zugegeben, in solcher Massivität hatte ich das Thema selbst nicht auf dem Schirm“, so Andrich.

Volkshochschule: Angebote müssen stärker an der Lebenswelt ansetzen

Was benötigt werde, um an die Wurzeln des Nicht-Lesens und Nicht-Schreibens zu gelangen, seien neue Bildungsformate. Denn die typischen Kurse würden nicht funktionieren. Die Volkshochschule wolle künftig zum Beispiel in Begegnungsstätten berufsbezogene Lernwerkstätten einrichten. Was steht auf einem Wahlzettel? Wie gehe ich mit Geld um? Verstehe ich die Gebrauchsanleitung für technische Geräte? Alles könne so am praktischen Beispiel vermittelt werden, ohne das Abc von Grund auf zu erlernen.

„Unsere Angebote müssen noch stärker an der unmittelbaren Lebenswelt der Betroffenen ansetzen. Es geht mehr darum, Angebote zu schaffen, die wenig Hürden stellen und letztlich die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern“, erklärt Andrich. Neu konzipierte Kurse ab dem Herbstsemester sollen dem Rechnung tragen. Dreimal die Woche öffnet an allen drei Standorten der VHS eine Lernwerkstatt, die über „Alpha-Kommunal-Transfer“ gefördert wird. (mz)