Alphabetisierung Alphabetisierung: Mit Vertrauen und Motivation

naumburg - Lehrer sein möchte sie auch noch nach ihrem Ruhestand. „Ich liebe meinen Beruf und die deutsche Sprache“, sagt Elisabeth Riebow. Ihr Wissen gibt sie mit Hilfe ihrer pädagogischen Fähigkeiten deshalb weiterhin weiter - an Erwachsene. Seit Herbst 2014 engagiert sich die 67-Jährige im Lesecafé, das als Projekt von der regionalen Alphabetisierungsinitiative „Blickpunkt alpha“ ins Leben gerufen wurde. Einmal in der Woche, jeden Montagnachmittag, steht im Seniorenbüro des Luisenhauses Naumburg Unterricht auf dem Plan.
Zu ihren Schützlingen zählen Erwachsene, die nach der Schule im Laufe des weiteren Lebens das Schreiben und Lesen verlernt haben - in unterschiedlichen Graden. „Ich wusste schon davon, aber das Ausmaß habe ich nicht erahnt“, sagt die einstige Lehrerin, die 46 Jahre in Groß- und Kleinjena tätig war. Neben ihrem Engagement in Naumburg unterrichtet sie zudem im Sozialtherapeutischen Zentrum „Sprungbrett“ in Eckartsberga. Zum Einsatz kommen unter anderem spezielles Material der Erwachsenenbildung sowie Bücher in leichter Sprache. Wichtig sei es vor allem, dass die Lektionen sehr alltagsnah sind, sich an der Lebenswirklichkeit des Einzelnen orientieren, erklärt die Naumburgerin.
Doch gutes Material und regelmäßiger Unterricht verhelfen nicht allein zu Erfolgen. „Mit Frau Riebow haben wir einen Glücksgriff gemacht. Denn Vertrauen, das Händchen für Menschen und das Gespräch in Augenhöhe spielen eine ganz wesentliche Rolle“, unterstreicht Laurentia Moisa, Projektleiterin von „Blickpunkt alpha“. Jene Erfolgserlebnisse sind Erfahrungen, die auf den ersten Blick alltäglich erscheinen. „Eine Frau war stolz, dass sie zu Weihnachten eine Karte selbst schreiben konnte“, berichtet Elisabeth Riebow. „Personen, die ihre Fähigkeiten für das Lesen und Schreiben verloren haben, empfinden Scham und verheimlichen es oft“, weiß die Pädagogin. Deshalb sind Motivation und Lob wichtig. „Wer das Schreiben und Lernen verlernt hat, ist nicht dumm. Es ist ein Denkfehler, dass die Schulbildung für ein Leben lang ausreichend ist“, erklärt Projektreferentin Gisela Winkler. Vielmehr sei der Verlust Ergebnis biografischer Ereignisse und Lebensphasen.
Um sowohl die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren, als auch Betroffene zu ermuntern, Angebote wie jene der Volkshochschule wahrzunehmen, hat das Bundesbildungsministerium eine Dekade für Alphabetisierung ausgerufen und die neue Kampagne „Nur Mut. Der nächste Schritt lohnt sich“ gestartet. „Die Länder sind in ihrem Engagement für Alphabetisierung unterschiedlich aufgestellt. Es braucht vor allem politische Rückendeckung“, meint die Projektleiterin. Die Initiative „Blickpunkt alpha“ zeigt sich der Öffentlichkeit regelmäßig mit Veranstaltungen. So sind am 23. April zum Welttag des Buches Aktionen mit Bibliotheken geplant. Außerdem soll das Netzwerk weiter ausgebaut werden.