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Birgitta Wolff Birgitta Wolff: Die Unbeugsame

Von Hendrik Kranert-Rydzy 20.04.2013, 19:14
Birgitta Wolff im Gespräch mit Unternehmern
Birgitta Wolff im Gespräch mit Unternehmern Kehrer, dpa Lizenz

Magdeburg/MZ - Unkonventionell. So hat CDU-Landtagsfraktionschef André Schröder gern Birgitta Wolff genannt. Die Wissenschafts- und Wirtschaftsministerin sei unkonventionell. Warum eigentlich? Vielleicht weil sie - im Gegensatz zu so manchem ihrer Ministerkollegen und Parteifreunde - kein Manuskript brauchte, um zwei Sätze fehlerfrei zu sprechen. Weil sie kein Blatt vor den Mund nahm, wenn etwas zwar politisch korrekt, ihr aber wissenschaftlich oder moralisch zuwider war. Und weil sie eine alleinstehende 47-jährige Frau ohne Kinder ist. Das empfindet mancher in der CDU auch 2013 noch immer nicht als den Konventionen entsprechend.

Reiner Haseloff hat all das Unkonventionelle nicht gestört. Im Gegenteil: Der damalige Wirtschaftsminister und heutige Ministerpräsident war es, der vom Auftreten der Wirtschaftsprofessorin an der Magdeburger Uni so begeistert war, dass er Wolff als seine Nachfolgerin aufbauen wollte. Es kam wie gerufen, dass im Jahr 2010 der parteilose Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz den Absprung als Uni-Rektor nach Berlin schaffte: Wolff konnte übernehmen und acht Monate vor der Landtagswahl 2011 Erfahrung im Politikbetrieb sammeln. Nach anfänglichem Zögern ging der damalige Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) auf den Vorschlag seines Nachfolgers in spe ein.

Aus Westfalen in die Welt

Wolff stammt zwar aus Münster, doch die den Westfalen nachgesagte Behäbigkeit teilte sie nicht: Nach Abitur und Bankerlehre studierte sie Wirtschaftswissenschaften in Witten/Herdecke, München und Harvard. Bereits 1999 habilitierte sie sich, ging zunächst als Dozentin erneut in die USA, bevor sie 2000 Professorin für Betriebswirtschaftslehre und Internationales Management an der Uni Magdeburg wurde. Wolff hatte also all das, was Haseloff sich für sein Kabinett wünschen konnte: Sie war jung, dennoch erfahren - und erfolgreich. Dennoch war Wolff von einer gewissen Bodenständigkeit geprägt, die sehr gut in das Land passte, das die Leute noch immer in Scharen verließen: Sie lehnte Angebote aus München, Wien und Aachen ab, weil sie das studentische und kulturelle Leben in Magdeburg liebgewonnen hatte. Gleichzeitig hielt sie engen Kontakt zu ihren Eltern und Geschwistern im Münsterland.

Am deutlichsten wurde Wolffs unkonventionelle Art in ihrem Verhältnis zur Politik. Die Quereinsteigerin trat erst unmittelbar vor ihrer Ernennung zur Kultusministerin in die CDU ein. Das war ihr eine Art notwendiges Übel. Sie vertritt zwar einen ausgesprochen marktwirtschaftlichen Ansatz. Doch in erster Linie war es Pragmatismus, nicht Linientreue, der ihr Handeln prägte. Und das sollte ihr zum Verhängnis werden.

Denn die begeisterte Reiterin Wolff nahm auch in der Politik Hindernisse gern direkt - in einem Umfeld, das mit dieser Direktheit oft nicht klar kam. Wolff schwafelte nicht herum, sie kam zum Punkt. Aber sie fremdelte mit der gediegenen Nadelstreifen-Attitüde der IHK-Vollversammlungen. Und in Führungsetagen von Betrieben, Kammern und Verbänden eckte Wolff mit solchen Sätzen an: „Nichts gegen Nagelstudios und Hundesalons, aber das ist nicht das, worum es uns geht.“ Das kam bei Klein- und Mittelständlern so an, als seien der Wirtschaftsministerin Dienstleistung und Handwerk egal und für sie als Wissenschaftsministerin nur Hochtechnologie und Forschung wichtig.

Der Hauptgeschäftsführer der IHK Magdeburg, Wolfgang März, warf Wolff ebenfalls vor, für die Wissenschaft die Wirtschaft zu vernachlässigen: „Da ist bisher fürchterlich wenig passiert.“ Ins gleiche Horn stieß zu Jahresbeginn die hallesche IHK-Präsidentin Carola Schaar, die einen klaren Kurs der Landesregierung in Wirtschaftsfragen vermisste. Dass Haseloff sich nicht vor seine Ministerin stellte, sondern vor allem die Kritiker beschwichtigte, war ein erstes deutliches Zeichen, dass der Stern des einstigen Shooting-Stars im Kabinett im Sinken begriffen war. Freilich noch kein Grund, sich von ihr zu trennen.

Öffentlicher Widerspruch

Problematisch wurde es erst in den vergangenen Wochen, als Haseloff sich als Lokomotive vor den Radikal-Sparexpress von Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) spannen ließ. Bullerjahn will um jeden Preis ohne Neuverschuldung durch die nächsten Jahre kommen - koste es, was es wolle. Als Bullerjahn auch vor den Hochschulen nicht halt machte, widersprach Wolff. Erst im Kabinett, dann auch öffentlich. Am Dienstag äußerte sie sich in einem Zeitungsinterview erneut kritisch. Während Bullerjahn tobte, wies Haseloff Wolff in der Staatskanzlei zurecht. Ein letztes Mal.

Bevor Wolff Ministerin wurde, hat sie über Haseloff gesagt: „Wir haben uns mehrfach ordentlich gefetzt, aber das hat ihn offensichtlich nicht gestört.“ Das hat sich geändert - und Haseloff hatte das Wolff auch gesagt. So kam der Rauswurf für sie nicht ganz überraschend: „Das ist der Preis, wenn man bei seiner Auffassung bleiben will.“ Sorgen um ihre Zukunft muss sich Wolff nicht machen. Sie sagt selbstbewusst: „Es gibt genug Arbeitgeber, die auch fähige Frauen suchen.“ Nicht in der Staatskanzlei: Wolff war im zehnköpfigen Kabinett eine von nur zwei Frauen.