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Besuch in Sachsen-Anhalt Besuch in Sachsen-Anhalt: Präsidentin auf alten Spuren

Von Veronika Wagner und Steffen Höhne 20.10.2006, 18:48

Bitterfeld/Leipzig/MZ. - Chiles Präsidentin Michelle Bachelet besuchte auf ihrer viertägigen Deutschlandreise im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen die Firma CM Chemiemetall, die einzige chilenische Firma in Ostdeutschland.

Für Bachelet ist es jedoch nicht nur ein Staatsbesuch, sondern wohl auch eine Nostalgie-Reise in die ehemalige DDR. Vier Jahre Exil verbrachte sie in Leipzig und Potsdam. "Ich freue mich, dass ich seit über 30 Jahren wieder hier bin", sagte die Präsidentin. "Ich habe Deutschland viel zu verdanken." Ihre kurze Rede richtete sich in die Zukunft: Bitterfeld sei ein Beispiel für die guten Wirtschaftsbeziehungen beider Länder. Diese müssten ausgebaut werden. Sprach es und war schon wieder auf dem Sprung. In Leipzig kehrte sie an ihre alte Universität zurück. Mit ihrer Mutter fand sie - zwei Jahre nach dem Militärputsch von Augusto Pinochet - dort Zuflucht. Ihr Vater, ein Luftwaffengeneral, der während des Putsches loyal zu Salvador Allende stand - war an den Folgen von Folter gestorben. Im Exil studierte Bachelet in Potsdam und Leipzig Medizin und engagierte sich in der Solidaritätsarbeit für Chile. In Leipzig heiratete sie auch einen Landsmann. "Es ist ein besonderes Gefühl hier zu sein, mein erster Sohn wurde in Leipzig geboren", sagte die 51-Jährige nach Überreichung der Universitätsmedaille.

Wie in Bitterfeld standen auch in der Messestadt Leipzig die Menschen in langen Reihen, um die selbstbewusst auftretende Frau zu sehen. "Sie ist eine charmante und begabte Politikerin, die zu ihren Überzeugungen steht", erklärte die chilenische Studentin Constanza Dörr Alamos. Daher rühre ihre Popularität.

Dass eine Frau in Chile Präsidentin werden konnte, schien noch vor wenigen Jahren undenkbar. Die durchsetzungsstarke Sozialistin hat sich ihren Weg Stück für Stück durch die Unwegsamkeiten der Politik gebahnt. Als die Ärztin 1979 nach Chile zurückkehrte, trat sie in die Sozialistische Partei ein. Ihr Interesse galt der Sicherheits- und Militärpolitik. Nach dem Ende der Diktatur wurde sie Gesundheitsministerin und 2002 zur Verteidigungsministerin ernannt. Die Streitkräfte, die seit dem Pinochet-Regime negativ belastet und traditionell eine Männerdomäne sind, unterstanden zum ersten Mal einer Frau, die noch dazu der Sozialistischen Partei angehört. Michelle Bachelet stellt eine Besonderheit in der politischen Landschaft Chiles dar. Sie bekennt sich in einem so konservativen und katholischen Land dazu, Agnostikerin zu sein, getrennt zu leben und Kinder von verschiedenen Vätern zu haben. Dennoch schaffte sie es, dank ihrer Popularität in diesem Jahr zur Präsidentin gewählt zu werden. "Dies ist ein Zeichen für die Versöhnung der chilenischen Gesellschaft", sagte der chilenische Journalist Ignacio Arana der MZ.

Bachelet vertritt ein Land, das mittlerweile als stabilste Demokratie Südamerikas gilt und dessen Wirtschaft seit Jahren eindrucksvoll wächst. Nach Worten von Bachelet ist Deutschland der größte Exportmarkt für Chile in Europa. Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die fast zur gleichen Zeit in Leipzig studierte, sprach sie in den vergangenen Tagen über Chiles Interesse an deutscher Technik zur Gewinnung alternativer Energien aus Biomasse, Sonne und Wind. Und in der knappen Stunde ihres Besuches wird Finanzminister Bullerjahn ihr sicher kurz erzählt haben, dass Sachsen-Anhalt in dieser Branche bundesweit führend ist.