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Bergbau Bergbau: Auf Salz gebaut

Von KATHARINA THORMANN 22.02.2009, 19:15

ILBERSTEDT/MZ. - So wie Hahndorf geht es zahlreichen Einwohnern der Gemeinde im Salzlandkreis. 1 200 Menschen leben in dem Ort im Wippertal. Und deren Häuser weisen zum Teil riesige Risse auf, Mauerteile bröckeln ab. In der Kindertagesstätte Pusteblume ist schon mal ein Heizkörper von der Wand gefallen, erzählt Leiterin Evelin Halang. Ob die Ursache dafür 500 Meter tiefer in den riesigen Salzschächten zu suchen ist, die Ilberstedt seit Jahrzehnten umgeben, bleibt umstritten. Die meisten Betroffenen sind jedoch überzeugt, dass der Abbau von Kalisalz ihre Probleme auslöst.

Abbau seit Jahrzehnten

Unstrittig ist: Der Ort sinkt. Schließlich wird seit Jahrzehnten in der Region Kalisalz abgebaut. Eine Folge ist, dass sich die 30 Meter hohen und bis zu 300 Meter langen Salzschächte im Laufe der Zeit mit der darüber liegenden Erdschicht füllen. Doch erst das Institut für Gebirgsmechanik Leipzig stellte bei seinen Untersuchungen in den vergangenen neun Jahren fest, dass rund um Ilberstedt die sogenannte Senkungsgeschwindigkeit deutlich höher ist als bisher prognostiziert. Allein von Mai 2007 bis Mai 2008 senkte sich der Boden um 16 anstatt der vorausgesagten sieben Zentimeter.

Das heißt, dass seit 2005 bis Ende dieses Jahres eine Senkung von gut einem Meter eintreten wird. Laut Prognose des Instituts entsteht bis 2025 eine "kaum wahrnehmbare sanfte ,Delle' in dem Gebiet". Bis 2050, so die Experten, vergrößert sich die besagte Delle nordöstlich von Ilberstedt auf eine maximale Tiefe von fünf Metern. Und bis zum Ende des Jahrhunderts sollen es sogar sieben Meter werden. Ein zehn Meter langes Gebäude könnte dann in eine Schieflage geraten, die von einem Ende bis zum anderen sieben Zentimeter ausmacht - mit allen fatalen Folgen für die Bausubstanz.

An der zweiten Senkungsstelle zwischen Ilberstedt und dem Nachbarort Cölbigk wird bis zum Jahr 2100 eine vier Meter tiefe Senkung erwartet. "Das würde bedeuteten, dass das Wasser der Wipper aus Cölbigk einen See machen würde", sagt Ilberstedts Bürgermeister Lothar Jänsch (parteilos). Die Verantwortlichen von Esco, die das Salzwerk in Bernburg betreiben, wissen um die Brisanz der Untersuchung. Für das Tochterunternehmen von Branchenprimus Kali und Salz (Kassel) geht es um viel Geld, Schadensersatzklagen könnten auf die Firma zukommen. Unterdessen fressen sich die Bagger weiter durch den Untergrund, der Handel mit Salz blüht weltweit - trotz Wirtschaftskrise.

Information der Einwohner

Esco-Werkleiter Markus Cieslik geht offensiv mit dem Problem um. "Wir wollen gute Nachbarn sein und deshalb offen über alles sprechen", sagt er. Kürzlich trafen sich Vertreter des Salzunternehmens mit den Ilberstedter Gemeinderäten und Bürgermeister Jänsch unter Tage, direkt in dem Senkungsgebiet unter der Gemeinde. Und an diesem Donnerstag sollen die Einwohner von Ilberstedt informiert werden. Das Interesse ist gewaltig. Die Veranstaltung musste vom kleineren Raum im Hort in die Turnhalle verlegt werden. "Es ist wichtig zu klären, welche Auswirkungen die Absenkungen auf die Gemeinde und für die Bürger haben", sagt Peter Klamser, Präsident des Landesamtes für Geologie und Bergwesen. Das sieht auch Jänsch so: "Die Ilberstedter haben ein Recht darauf, zu erfahren, was mit ihren Häusern geschieht. Das ist eine Sache, die beschäftigt uns die nächsten 60 bis 70 Jahre."

Auch für die Gemeinde sind die Folgen möglicherweise schwerwiegend. Niemand weiß, was aus dem jüngst ausgewiesenen Wohngebiet werden soll. Die Suche nach Bauherren ist schwierig, der Gemeinderat fürchtet um die Investitionen. Auch der Wert der vorhandenen Immobilien in Ilberstedt dürfte sinken, wenn der Boden, auf dem sie stehen, weiter nachgibt. Thomas Wolperding, stellvertretender Werkleiter von Esco in Bernburg, macht den Ilberstedtern zumindest etwas Hoffnung: "Esco ist Ansprechpartner für die Schadensersatzansprüche." Die Betroffenen müssten dem Unternehmen eine so genannte Bergschadensvermutung vorlegen. Und dann stehe die Firma in der Pflicht: Nur wenn sie beweisen könne, dass der Salzabbau nicht die Ursache der Schäden ist, sei keine Zahlung fällig.

Ob das die Wut von Erich Hahndorf eindämmen kann, ist fraglich. Aber er will Esco eine Chance geben. "Mal sehen, was sie uns anbieten werden."