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Autoverwerter Autoverwerter: Rosi braucht Schrott

Von Ralf Böhme 08.02.2012, 18:59

WALLWITZ/MZ. - Ihre sieben Katzen genießen den Himmel auf Erden. Roswitha "Rosi" Rasche kann sich ausgiebig um ihre Lieblinge kümmern. Denn die 60-Jährige hat viel Zeit - leider mehr als ihr recht sein kann. Es mangelt nämlich an Aufträgen für die Autoverwerterin in Wallwitz (Saalekreis). Und damit steht der Ein-Frau-Betrieb nicht allein da. In Sachsen-Anhalt steckt die ganze Branche - immerhin 60 mittelständische Unternehmen - in der Krise. Der Notstand: Es werden kaum noch Autos angeboten, die sie ausschlachten können.

Herein, herein, das schwere Stahltor steht offen. Der Schnee ist säuberlich von der 8 000 Quadratmeter großen Lagerfläche geräumt. Doch gerade einmal in der Woche rollt ein Fahrzeug auf den Schrottplatz. Und meistens ist der Zustand so katastrophal, so die Chefin auf dem Hof, dass sich kaum noch etwas Verwendbares finden lässt. "Wer eine richtige Rostlaube sehen will, hier findet er sie." Allein, mit Raritäten dieser Art ist kein Geschäft zu machen. Obwohl Rasche so ziemlich alles annimmt und verwertet, schreibt sie seit geraumer Zeit meist rote Zahlen.

Wenn gar nichts mehr läuft, sperrt sie den Laden einfach für einige Zeit zu: Dann beginnt der Zwangsurlaub für sie und ihren Helfer Dirk Haake, der die Autos nach allen Regeln der Kunst zerlegt. Batterie raus, Räder ab, Katalysator weg - das ist der Anfang. Türschlösser, Fensterheber, Kotflügel, Motorhauben können bei sachgerechter Demontage wieder verwendet werden.

Vor allem freie Werkstätten greifen gern auf solche Angebote zurück, suchen inzwischen aber oft vergeblich nach dieser preisgünstigen Ersatzteil-Variante. Rasche benennt den Grund: "Was heute irgendwie noch rollt, kommt in den Export - nach Osteuropa oder Afrika." Weil sich dort noch ein guter Preis erzielen lasse, würden diese Händler hier beim Aufkauf der Wagen oft mehr zahlen als die einheimischen Autoverwerter - 200 bis 300 Euro nämlich.

Rosi Rasche will nicht kleinlich sein, sagt sie. Aber mehr als einen Hunderter gäbe es bei ihr nur selten. Der Grund: Die meisten Fahrzeuge seien in einem so schlechten Zustand, dass man fast keine Ersatzteile mehr ausbauen könne. Mancher, der auf mehr Geld ausgewesen sei, entscheide sich laut Rasche dann für die bequemere Lösung. "Dann steht der defekte Wagen irgendwo am Straßenrand und rostet vor sich hin." Von Einzelfällen könne man da nicht reden. Die Branche geht in Sachsen-Anhalt davon aus, dass ihr so jährlich bis zu 1 000 Schrottautos entgehen. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) macht auf das Problem aufmerksam. Landessprecher Oliver Wendenkamp: "Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern in jedem Fall ein gravierendes Umweltproblem." So dürften weder Motorenöle und noch die Säure aus der Batterie austreten, um nicht Boden und Grundwasser zu vergiften. Schon allein wegen dieser Gefahren dürften Polizei und Ordnungsdienste nicht wegschauen.

Wie das Geschäft momentan läuft, belegt ein Blick in die Bücher des 1972 gegründeten Kleinunternehmens Rasche. Noch vor einiger Zeit hatte die Schrottpresse hier voll zu tun. 650 Fahrzeuge allein 2009, dem Jahr der Abwrackprämie. "Da haben sich die Karossen bei mir in drei Etagen gestapelt." Davon kann Rasche im Moment nur träumen, genau so wie von einer Neuauflage der Abwrackprämie. Bund und Land sehen dafür nicht die geringste Veranlassung. Der Verkauf von Neuwagen brummt nämlich trotzdem.

Ernüchternd ist dagegen Rasches Bilanz für 2011 - lediglich 65 Verschrottungen, also nur zehn Prozent des Spitzenjahrgangs. "Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel." Wieder und wieder müsse sie den Einsatz der Mobilpresse verschieben. Einfach wäre es, wenn man wie früher in normalen Jahren mit etwa 230 Altwagen rechnen könnte. "Dann lohnt sich so ein Einsatz etwa im Vierteljahres-Abstand."

Damit es wieder aufwärtsgeht, hält die im Branchenverband der Autoentsorger engagierte Unternehmerin einschneidende Veränderungen für erforderlich. Anders als jetzt soll künftig nicht mehr jeder Schrottautos entsorgen können, sondern nur noch zertifizierte Fachbetriebe. "Woher ein Auto kommt, was mit ihm geschieht - das muss belegt und auch kontrolliert werden", verlangt der für Sachsen-Anhalt zuständige Verbandsgeschäftsführer Jürgen Nürnberger aus Stendal. Ohne neue Anreize komme das Recycling, komme die ganze Kreislaufwirtschaft nicht in Schwung. "Das System leidet unter einer Kreislaufstörung." Jeder Schrottwagen, der unkontrolliert außer Landes gelange, sei ein exportiertes Umweltproblem.

"Das Land hat größtes Interesse, dass Altwagen ordentlich entsorgt werden." Auf diesen Satz legt man in Sachsen-Anhalts Umweltministerium ausdrücklich Wert. Indes fehle es einer Sprecherin zufolge an Kräften und Mitteln, um die Verschrottung intensiver zu überwachen. Vielmehr sollten die Branchenvertreter ihre konkreten Hinweise auf Gesetzesverstöße den Behörden zur Verfügung stellen. Daran, dass viele ältere Gebrauchtwagen nach Afrika und Asien exportiert werden, könne und wolle man aber nichts ändern.

Für Roswitha Rasche ist das freilich keine gute Nachricht. "Vor mir liegen fünf harte Jahre." Solange muss sie den Schrottplatz noch offen halten. Erst dann kann die 60-Jährige in Rente gehen und sich ihrer Katzenfamilie widmen.