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Artikel in der MZ vom 16. Juli 1990 Artikel in der MZ vom 16. Juli 1990: Jessener Bürger wählten ihre Zugehörigkeit

Von Gunther Immenhoff und Michael Kramer 16.07.2015, 09:49
Ortsschild der Stadt Jessen
Ortsschild der Stadt Jessen MZ Lizenz

Jessen - Gestern gegen 14 Uhr stand es fest: Die Einwohner des Kreises Jessen, im westlichen Zipfel des Bezirkes Cottbus und etwa 25 Kilometer von Wittenberg entfernt gelegen, entschieden sich in einer Bürgerbefragung eindeutig für Sachsen-Anhalt als ihr künftiges Land.

Bereits am 20. Juni waren über 24 000 Stimmzettel in die Haushalte geschickt worden. Am vergangenen Wochenende wurde dann in den fünf Städten und 42 Gemeinden mit Spannung ausgezählt, bevor die Meldungen an die Kreiswahlkommission übergeben wurden. Und so lautete das offizielle Ergebnis, über das der Sekretär der Wahlkommission des Kreises, Johannes Neusser, informierte: Von 24 937 Wahlberechtigten gaben 16 921 ihr Votum ab.

65 Prozent stimmten für Sachsen-Anhalt

Das sind 67,85 Prozent. Gültig davon waren 99,42 Prozent der Stimmen. Davon gaben 10 922 Einwohner des Kreises dem Land Sachsen-Anhalt ihren persönlichen Zuschlag (64,92 Prozent). Nur 35,08 Prozent stimmten für das Land Brandenburg. In einer ersten Stellungnahme gegenüber MZ begrüßte Landrat Ernst Meyer diese Entscheidung. "Ich habe nach den Trends der letzten Tage kaum etwas anderes erwartet. Dennoch bin ich erstaunt, dass das Ergebnis so eindeutig ausgefallen ist", sagte er.

Der größte und dichtbesiedelte Teil des Kreises habe bis zur Gebietsreform im Jahre 1952 ohnehin zu Sachsen-Anhalt gehört. Und dank der engen Verbindung gerade zu Wittenberg und Dessau, die durch die günstige Bahnverbindung zwischen Dessau und Falkenberg noch enger wurde, hätten zahlreiche Jessener den historischen Zusammenhalt nicht vergessen. Obendrein, unterstrich der Landrat, plädiere man für eine künftige Landeshauptstadt Halle. Dafür spreche ihre verkehrsgünstige Lage, als Jessener habe man es bis Magdeburg doppelt so weit. "Bedauerlich ist, dass sich die Einwohner des Kreises Herzberg nebenan bereits für Brandenburg entschieden haben. Damit sieht es so aus, als würden wir vom Randgebiet des Bezirkes Cottbus nun zum östlichen Zipfel des künftigen Landes werden.

Kreis hat ökonomische Probleme

Doch gerade als Agrar-Industrie-Kreis mit vorwiegend mittelständischen Betrieben brauchen wir dringend die Ansiedlung neuer Industrien", so Ernst Meyer. Nun hofft man im Landratsamt darauf, von der künftigen Landesregierung die Unterstützung zu bekommen, die der Kreis für eine solide Entwicklung braucht, da er nur als Zentrum für die Naherholung nicht bestehen könne. Dafür fehlten grundsätzliche Voraussetzungen, wenn es freilich auch landschaftlich schöne Stellen gibt. Der Kreis sei ökonomisch am Ende.

Perspektiven sehe man jedoch in einer viel engeren Verbindung zu Wittenberg. Am Donnerstag wird sich der Kreistag in Jessen mit dem Ergebnis der Bürgerbefragung befassen sowie einen entsprechenden Antrag formulieren und beschließen, der dann am Freitag der Regierung in Berlin übergeben wird. Nachdem die Würfel in Jessen und Herzberg gefallen sind, werden die Ergebnisse der Bürgerbefragungen im gleichfalls zum Bezirk Cottbus gehörenden Kreis Bad Liebenwerda zwischen Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg sowie in den drei Leipziger Kreisen Delitzsch, Torgau und Eilenburg zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt am kommenden Wochenende ausgezählt. Dann sind die Weichen für ein künftiges Land Sachsen-Anhalt gestellt. (mz)