38.000 Kürzungen verhängt 38.128 Kürzungen in Sachsen-Anhalt verhängt: Justiz kippt harte Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger

Halle (Saale) - Monatelange Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger, die ihren Pflichten nicht nachkommen, sind teilweise verfassungswidrig. Grundsätzlich sind Leistungskürzungen zwar weiter möglich, beim Arbeitslosengeld II dürfen die Kürzungen aber maximal 30 Prozent betragen, urteilte am Dienstag das in Karlsruhe. Daraus folgt: Der Gesetzgeber muss das Sanktionssystem nun neu regeln.
Die Hartz-IV-Gesetzgebung trat 2005 in Kraft und folgt dem Prinzip: Fördern und Fordern. Die bisherige Regelung sieht verschiedene Sanktionsstufen vor, wenn Hartz-IV-Empfänger etwa eine als zumutbar eingestufte Arbeit ablehnen.
Zunächst wird der Regelsatz um bis zu 30 Prozent gekürzt, bei einer Wiederholung um bis zu 60 Prozent. Bei jeder weiteren Pflichtverletzung binnen eines Jahres entfällt das Arbeitslosengeld II. Dann gibt es Essensgutscheine. Die Kürzungen gelten je für drei Monate.
Nur wenig sanktionierte Hartz-IV-Bezieher in Sachsen-Anhalt
Die große Mehrheit der Hartz-IV-Bezieher in Sachsen-Anhalt hält sich an die Regeln. Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Landesarbeitsagentur 38.128 Sanktionen verhängt. Im Jahresschnitt waren 5.333 Leistungsberechtigte mit mindestens einer Sanktion belegt. Gemessen an allen Hartz-IV-Beziehern heißt das: 3,3 Prozent der Leistungsberechtigten hatten ihre Verpflichtungen nicht erfüllt.
Terminversäumnisse mit rund 31.000 Fällen waren mit Abstand der häufigste Sanktionsgrund, gefolgt von der Weigerung eine vorgegebene Arbeit aufzunehmen mit 3.283 Fällen. Jüngere Arbeitslose unter 25 Jahren sind am häufigsten von Sanktionen betroffen. Hier liegt die Quote in Sachsen-Anhalt den Angaben zufolge bei 4,5 Prozent.
Bei Hartz-IV-Beziehern über 55 Jahre sind es dagegen nur 0,6 Prozent. Auch bei Ausländern liegt die Sanktionsquote mit 1,6 Prozent deutlich unter dem Durchschnitt, wie aus den Zahlen der Landesarbeitsagentur hervorgeht.
Hohe Leistungskürzungen werden in Sachsen-Anhalt eher selten vorgenommen. Der aktuelle Regelsatz für eine allein stehende Person liegt bei 424 Euro im Monat. Hinzu kommt das Wohngeld, so dass die Gesamtbezüge bei etwa 800 Euro liegen. Nach Angaben der Jobcenter wurde der Regelsatz im Schnitt um 18,2 Prozent gekürzt.
Urteil der Richter: Dauer der Kürzungen ist nicht haltbar
Das liegt deutlich unter der von den Verfassungsrichtern für zumutbar erklärten Kürzung um 30 Prozent. Als unvereinbar mit dem Grundgesetz stuften die Richter es allerdings auch in der ersten Sanktionsstufe ein, dass die Leistung selbst bei Härtefällen zwingend verringert werden muss.
Die starre Dauer von drei Monaten bei jeder Kürzung ist demnach ebenfalls nicht haltbar. Eine Kürzung um 60 Prozent oder gar ein vollständiger Wegfall des Arbeitslosengelds II sind dem Urteil zufolge überhaupt nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.
Auslöser für das Verfahren war die Klage eines Arbeitslosen aus Thüringen, dem Leistungen gekürzt worden waren. Das Sozialgericht Gotha rief in dem Rechtsstreit das höchste deutsche Gericht an, weil es die Vorschriften für verfassungswidrig hielt.
Es war der Ansicht, dass mit der vom Gesetzgeber gewählten Höhe des Regelsatzes bereits das vom Grundgesetz garantierte Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum festgelegt wurde und dies nicht unterschritten werden darf. (mz/afp)