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24./25. September 24./25. September: Die zwei Seiten des Alexander S.

Von KATRIN LÖWE UND JAN MÖBIUS 25.09.2008, 18:42

Halle/MZ. - Alexander S. war ab der vierten Klasse an der Schule für Verhaltensauffällige. Auch Ludger Thieler kennt ihn seit vielen Jahren. "Ich bin schockiert und fassungslos", sagte der stellvertretende Schulleiter. Der 16-Jährige sei in der Schule als freundlicher Jugendlicher bekannt gewesen, habe im Fußball-Team der Einrichtung als Kapitän die Zügel in der Hand gehabt. "Natürlich gab es auch Probleme", so Thieler. Auf der einen Seite habe das geordnete Leben in der Schule gestanden. "Nachmittags ist er wieder in sein Wohnumfeld zurückgekommen. Dort hatte er mit Jugendlichen zu tun, die ihn mit auf den falschen Weg genommen haben."

In seiner Freizeit sei Alexander S. oft in Schlägereien verwickelt gewesen. "Auf der Silberhöhe haben sich richtige Gangs entwickelt", so Thieler. Einbrüche stünden ebenso im Vorstrafenregister von S. wie ein sechswöchiger Jugendarrest. "Dass solch ein Tat möglich ist, hat niemand von uns geahnt. Der Arrest war ein einschneidendes Erlebnis für ihn." Thieler will nichts entschuldigen. Er weist aber auch auf die Verantwortung des Elternhauses hin. "Würde dort alles so funktionieren, wie es in einer geordneten Familie sein sollte, wäre es vielleicht nicht so weit gekommen." Die Schule selbst geht laut Thiele offensiv mit dem Verbrechen um. Man habe mit der 9. Klasse, in der sich Alexander S. auf seinen Realschulabschluss vorbereitete, intensiv über die Tat geredet.

Deren Hintergründe arbeiten Polizei und Staatsanwaltschaft jetzt schrittweise auf. S. habe die Tat zwar eingeräumt, sich aber zum Motiv nicht weiter geäußert, hieß es bei der Polizei. Berichte, wonach es zunächst zu einem Streit um Fußball zwischen Täter und Opfer gekommen sei, konnte auch Staatsanwalt Klaus Wiechmann nicht bestätigen. Zwar habe Uwe M., der seit vielen Jahren Fan des Halleschen Fußballclubs (HFC) war und für das Fanprojekt der Stadt arbeitete, noch Fankluft getragen und S. eingeräumt, den HFC nicht leiden zu können. "Das ist aber kein Motiv", so Wiechmann. Zu dem Streit mit einem Bekannten, der S. derart frustriert haben soll, dass er später grundlos auf Uwe M. einprügelte, sei noch nichts Näheres bekannt.

Die Polizei räumte unterdessen interne Kommunikationsfehler ein, die in der Öffentlichkeit zu dem Eindruck geführt hatten, Alexander S. sei trotz eines Tatverdachts am Sonnabend laufen gelassen worden. "Am Einsatz der Beamten vor Ort gibt es nichts zu kritisieren", so Polizeipräsident Walter Schumann. Sie seien an jenem Abend auf weitere Auseinandersetzungen im Haus gegenüber des Tatortes und dort auch auf Alexander S. gestoßen. Weil Zeugen aus Angst vor Repressalien zunächst geschwiegen hätten, sei aber erst später bekannt geworden, dass es sich bei S. um den mutmaßlichen Täter handelt. Da war der 16-Jährige schon geflohen.

Eine sofortige Suche nach S. blieb laut Polizei erfolglos. "Er wäre sonst zumindest in Gewahrsam genommen worden", sagte Polizei-Abteilungsleiter Manfred Henze. Eine intensive Fahndung sei nicht eingeleitet worden, weil die Beamten zunächst keinen Haftgrund gesehen hätten. Dass Uwe M. schwerste Gehirnverletzungen erlitten hatte, sei erst am Montagabend bekannt geworden. Am nächsten Tag, kurz nach der Festnahme von S., starb das Opfer.

Zurück blieben auch Fans, deren Trauer gestern vor dem Fan-Haus nahe des Kurt-Wabbel-Stadions sichtbar wurde. Blumen und Kränze liegen vor einer Gedenktafel. Auch die Eltern des Opfers besuchten den Ort, an dem er so engagiert geholfen hatte. "Seine Mutter sagte, der Fußball sei seine zweite Familie gewesen", erzählte Horst Geisler, der mit M. beim Fanprojekt gearbeitet hat. "Uwe war ein feiner Kerl", sagt er mit Tränen in den Augen. Dies kann HFC-Vorstands-Vize Jörg Sitte nur bestätigen: "Uwe war ein Mensch, der immer da war." Noch am Sonnabend hatte M. auch beim Freiwilligentag in Halle an einem Gartenprojekt gearbeitet.

Das Fanprojekt kündigte gestern an, zum nächsten Spiel des HFC in Hamburg Schwarz zu tragen.