Zeitz Zeitz: Zündschlüssel für den Kopf
Weissenfels/Zeitz/MZ. - Die Zahl der Fahranfänger im Burgenlandkreis, die in ihrer zweijährigen Probezeit auffällig werden, nimmt zu. Waren es 2010 von rund 2 000 Fahranfängern 61, die auffällig wurden, lag die Zahl im Vorjahr bereits bei 73 Teilnehmern. Sie erhalten nun eine Verwarnung sowie Hinweise zur verkehrspsychologischen Beratung. Dieser Schritt ist jedoch schon der zweite "Schuss" vor den Bug: Denn unmittelbar nach der ersten Auffälligkeit mussten diejenigen ein kostenpflichtiges Aufbauseminar (300 Euro) belegen. Wer nach dem Aufbauseminar und der Verwarnung noch immer nicht schlau geworden ist und nochmals im Straßenverkehr auffällig wird, muss danach seinen Führerschein abgeben. Das betraf in den vergangenen beiden Jahren je einen Fahranfänger aus dem Landkreis.
Dass mehr junge Leute auf die Schulbank müssen, zeigt sich in den entsprechenden Kursen. Der Weißenfelser Fahrlehrer Wilfried Damerau kann das belegen: 2010 nahmen 36 junge Leute an den Seminaren teil, diese kommen auch aus den Nachbarkreisen. Im Vorjahr hat sich diese Zahl nahezu verdoppelt. Würde sich die Kontrollfähigkeit der Polizei erhöhen, woran der Fahrlehrer keineswegs glaube, würden noch mehr "Sünder" auf die Schulbank rücken, ist sich der Weißenfelser sicher. Er weiß zudem, dass bundesweit ein Drittel der Fahranfänger nach der Probezeit auffällig werden.
Die Ursachen, warum Fahranfänger diese Seminare besuchen müssen, ist schnell genannt. An erster Stelle steht laut Damerau das zu schnelle Fahren. An zweiter Stelle nennt er das Missachten des Überholverbots und schließlich das Herbeiführen von Sachschäden. Viele gehen davon aus, dass sie in einem Aufbauseminar Punkte abbauen können. Doch das ist ein Trugschluss. Die bleiben. Ein Aufbauseminar verlängert zugleich die Probezeit auf vier Jahre. Problematisch ist, dass sechs Teilnehmer zu einem Kurs zusammengefasst werden müssen. Um das gut zu händeln, haben sich in Weißenfels sieben Fahrschulen zu einem Verbund zusammengeschlossen: Im Rotationsprinzip übernehmen die Fahrschulen das Ausrichten von Kursen, egal, in welcher Fahrschule sich der Fahranfänger anmeldet.
Nach wie vor ist die Altersgruppe von 18 bis 25 Jahren die höchste Risikogruppe, so Polizeisprecher Jörg Bethmann vom Polizeirevier Burgenlandkreis. Um eine Kehrtwende herbeizuführen, müsse schon beizeiten Prävention durchgeführt werden. Den Heranwachsenden müsse klar werden, dass eine Gesellschaft nur dann funktioniere, wenn Freiheit mit Spaß verbunden werden kann und im gleichen Moment Grenzen erkannt werden. Aber genau diesen Zusammenhang würden etliche nicht verstehen. Für sie stehe Spaß an erster Stelle - ohne Rücksicht zu nehmen auf andere Verkehrsteilnehmer.
Wie kann den jungen Leuten dennoch nahe gebracht werden, verantwortungsvoll zu fahren? Dabei zeigen sich unterschiedliche Ansätze. Die Fahranfänger härter zu bestrafen, bringe nichts, meint beispielsweise Damerau. Es bleibe keine andere Wahl, als an die Vernunft zu appellieren, vorsichtiger zu fahren und nicht das Risiko zu suchen. "Die Ideallösung wird es nicht geben", so Damerau. Junge Fahrer bräuchten allerdings auch die Chance, sich "auszutoben", ihre Grenze mit dem Fahrzeug zu erfahren. Aber das nicht auf der Straße, sondern da, wo niemand geschädigt werde, meint der Weißenfelser. Fahrlehrer Falk Klein aus Zeitz weiß, dass von den Fahranfängern Jungen und Mädchen gleichermaßen auffällig werden. Er plädiert dafür, die PS-Zahl zu begrenzen. Warum sei das bei Motorrädern der Fall und bei Autos nicht? Er stelle fest, dass etliche Fahranfänger nach der Prüfung glauben, sie seien "vogelfrei", niemand könne ihnen etwas anhaben. Klein: "Es müsste zwei Zündschlüssel geben. Einen für den Kopf, einen für das Fahrzeug." Die Weißenfelser Fahrlehrerin Anett Loth sagt, dass es beim Aufbauseminar vor allem an den Geldbeutel der jungen Leute gehen müsse. "Das begreifen sie wenigstens."
Fahrlehrer Thomas Rückert aus Naumburg ergänzt: "Viele, die wieder auf die Schulbank müssen, kommen mit breiter Brust." Ähnliches stellt Damerau fest: "Es gibt viele Fahranfänger, die nicht zu ihren Fehlern stehen." Sie würden demonstrieren, dass sie über den Dingen stehen. Rückert führte im Vorjahr drei Seminare durch, an denen 30 Jugendliche teilnahmen. 2010 sah die Situation ähnlich aus. Mehr Geld für Aufbaukurse zu fordern, davon halte er nichts. Man müsse sie bei ihrer Ehre packen.