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Tragödie Oskar Brüsewitz  Tragödie Oskar Brüsewitz in Zeitz: Der Tag als der Pfarrer sich angezündet hat

Von Yvette Meinhardt 20.08.2016, 06:00
Auf Einladung des Ministerpräsidenten Reiner Haseloff kam Esther Fröbel am Donnerstag nach Zeitz zur Gedenkfeier für ihren Vater.
Auf Einladung des Ministerpräsidenten Reiner Haseloff kam Esther Fröbel am Donnerstag nach Zeitz zur Gedenkfeier für ihren Vater. Peter Kramer

Rippicha - Esther Fröbel mag es nicht, im Mittelpunkt zu stehen, und so reiht sich die 58-Jährige mit ihrem Mann ganz unauffällig unter die Gäste zur Gedenkfeier vor der Zeitzer Michaeliskirche.

Und das, obwohl es bei der Zeremonie am Donnerstag um ihren Vater Oskar Brüsewitz geht. Der Pfarrer hatte sich vor 40 Jahren aus Protest gegen die Bildungspolitik der DDR hier angezündet und verstarb vier Tage später.

„Er wollte nicht im Mittelpunkt stehen. Das Anliegen meines Vaters war die Verkündigung des christlichen Glaubens. Er konnte es nicht verstehen, dass die Menschen atheistisch erzogen wurden.“ Sie war damals 18 Jahre alt und erinnert sich noch ganz genau an die dramatischen Ereignisse.

Brüsewitz übergab Frau im Pfarrhaus zwei Briefe

„Noch einen Tag zuvor war ich mit der ganzen Familie in Kretzschau baden. Ich genoss es, mit meinem Vater am Strand zu sitzen“, erinnert sich die 58-Jährige im Gespräch mit der MZ.

Am 18. August, am Tag der Tragödie, habe die Familie noch gemeinsam gefrühstückt. „Danach hielt er mich ganz fest und sang mit mir den Choral ,So nimm denn meine Hände’, dabei hatte er sechs eigene Strophen dazu gedichtet“, erzählt die Tochter.

Anschließend fuhr Brüsewitz mit dem Wartburg nach Zeitz. Zuvor hatte er einer Frau im Pfarrhaus zwei Briefe gegeben, den einen für die Familie und den anderen für die Kirchengemeinde. „Es waren Abschiedsbriefe, ich habe sofort gespürt, dass etwas nicht stimmt und bin damit vom Garten zu meiner Mutter ins Haus gerannt. Gemeinsam haben wir den Brief gelesen“, weiß sie noch heute. Damit tritt sie Diskussionen entgegen, wie sie in Zeitz bis heute geführt werden, dass Brüsewitz sich gar nicht verbrennen wollte.

Familie von Pfarrer Brüsewitz im Visier der Staatssicherheit

„Mein sehnlichster Wunsch war es, so schnell wie möglich zu meinem Vater zu fahren. Doch er hatte von meinem Moped die Luft abgelassen und ich konnte ihm nicht folgen“, erzählt sie weiter. Kurze Zeit später kamen die Pfarrer Dieter Ziebarth und Erich Schweidler nach Rippicha und informierten die Familie über die Ereignisse.

„Gleich danach folgte die Staatssicherheit, nahm meine Mutter und mich mit, verhörte uns voneinander getrennt. Ich wurde sieben Stunden lang befragt und sollte eine Aussage unterschreiben, dass mein Vater nicht im Besitz seiner geistigen Kräfte gewesen sei. Das haben wir beide abgelehnt, denn mein Vater wusste sehr wohl, was er tat“, erzählt sie.

Doch die damalige SED-Bezirkszeitung „Freiheit“ beschrieb Brüsewitz als einen „abnormalen und krankhaft veranlagten Menschen, der unter Wahnvorstellungen litt“.

Tochter Esther trägt Botschaft von Vater Oskar weiter

40 Jahre nach der Selbstverbrennung ist die gesellschaftliche Diskussion noch nicht abgeschlossen. Doch Esther Fröbel möchte dabei nicht im Vordergrund stehen.

„Viel wichtiger ist mir, die Botschaft meines Vaters weiterzutragen“, sagt sie. „Ihm ging es um Freimut und Freiheit, so wie es Pfarrer Köppen in seiner Andacht sagte. Mein Vater hat genau gewusst, was auf uns als Familie zukommt. Denn er hat bereits erlebt, dass ich kein Abitur machen durfte, und meine Schwester hat ab und zu Hause rebelliert“, sagt Fröbel.

Und weil im Pfarrgarten in Rippicha schon eine Herde von 50 Schafen graste, sei sie eben zuerst Schäferin geworden. Heute steht die 58-jährige Pastorin der evangelischen Gemeinde Döschnitz in Thüringen vor. Brüsewitz hatte drei Kinder und hätte jetzt elf Enkel und einen Urenkel.

(mz)

Ein abfotografierter Zeitungsausschnitt zur Tragödie von Oskar Brüsewitz.
Ein abfotografierter Zeitungsausschnitt zur Tragödie von Oskar Brüsewitz.
MZ