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Schlangenbiss statt Nadelstich

Von TORSTEN GERBANK 19.10.2008, 17:20

LANGENDORF/MZ. - Dort hatten etwa 650 Menschen aus Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen gegen den geplanten Bau einer Müllverbrennungsanlage auf dem benachbarten Betriebsgelände protestiert.

Am Ende der Veranstaltung hatten mit Lothar Stahl (Freie Bürgerlisten) und Eckhard Fenn (parteilos, Fraktion Zusammenwachsen) zwei Gemeinderäte der Gemeinde Elsteraue am Mikrofon verkündet, dass ihre Fraktionen gegen einen Bebauungsplan stimmen werden, der einem Müllofen im Dreiländereck Tür und Tor öffnen könnte. Beide Fraktionen zusammen haben 15 Stimmen im 26-köpfigen Gemeinderat. Auch Manfred Meißner (parteilos), Bürgermeister der Gemeinde Elsteraue, sagte: "Von mir gibt es keine Unterstützung und Unterschriften für den Bau der Anlage." All das waren Worte, aus denen nicht nur Familie Pigors Hoffnung schöpft, dass der Investor aus Chemnitz, die Guk GmbH, von seiner Investition am östlichen Ortsrand von Langendorf abgehalten werden kann. Denn sie werde weder gewollt noch gebraucht, das machten Redner deutlich.

Initiiert wurde der Protest von der Bürgerinitiative "Keine Müllverbrennung im Dreiländereck Langendorf". Sowohl in Maltitz (Sachsen) als auch in Langendorf starteten etwa 14 Uhr gut einen Kilometer lange Protestmärsche zur Wiese neben dem Areal, auf dem die Verbrennungsanlage entstehen soll. Zu den jüngsten Protestteilnehmern gehörten Sebastian (11) und Lukas Eifrig (9) aus Langendorf. "Gebt uns Kindern eine Zukunft ohne Müllverbrennung" und "Wir wollen saubere Luft" stand auf ihren selbst gebastelten Transparenten, mit denen die Jungen den Zug anführten. Sie hätten zum Beispiel Angst davor, dass Verbrennungsabgase das Obst und Gemüse im Garten am Haus vergiften, sagten die Brüder. Dem konnte Vater Jörg Eifrig nur beipflichten. Eifrig ist Mitglied der Bürgerinitiative und sorgt sich um die Gesundheit der Menschen. Schließlich solle seinem Wissen nach eine Anlage mit niedrigem technischen Niveau gebaut werden. "Trabant statt Mercedes", sagt Eifrig. Er geht davon aus, dass am Ende Dioxine, Furane und Chlorverbindungen in die Umwelt gelangen. Das würde die Lebensqualität im Ort herabsetzen. Und das wolle man nicht dulden, sagte Annett Bauer (31). Schließlich solle verhindert werden, dass die Jugend wegzieht, ergänzte sie. Angst haben die Langendorfer aber auch davor, dass ihre historische Kopfsteinpflasterstraße im Ort und wertvolle Fachwerkbauten im Dorf Schaden nehmen. Schließlich fürchten sie mehr Lkw-Verkehr im Ort. Mit Sternmarsch und Kundgebung sollte am Sonnabend ein Zeichen gesetzt werden.

"Wir wollen Behörden und Politik wachrütteln und zeigen, dass die Einwohner von Langendorf und angrenzender Orte absolut gegen die Anlage sind", sagte Rolf Schwarzburg, Sprecher der Bürgerinitiative. Worte, die später bei der Kundgebung Beifall und "Jawohl"-Rufe einbrachten. Bisher durchgeführte Informationsveranstaltungen bezeichnete Ortsbürgermeister Fenn als Nadelstiche. "Aber heute, das ist ein Schlangenbiss", sprach er ins Mikrofon. "Wir brauchen keine Müllverbrennungsanlage", sagte Fenn und forderte vom Investor: "Respektieren sie den Willen der Bürger." Ablehnung äußerte auch Kathrin Backmann (parteilos), Bürgermeisterin von Lucka (Thüringen). Grund sei unter anderem das angrenzende Naturschutzgebiet. Außerdem sieht sie sich vor vollendete Tatsachen gestellt. Schließlich soll das heute noch zu Sachsen-Anhalt gehörende Areal in einem Flurneuordnungsverfahren Lucka zugeschlagen werden. "Außerdem sind im Umkreis von rund 100 Kilometern sieben Müllverbrennungsanlagen entstanden, die nicht ausgelastet sind." Frank Krämer aus Tröglitz prophezeite gar einen Müllimport aus ganz Europa. Möglich mache das die Einführung von Energieeffizienzklassen. Damit bekämen Anlagen den Status einer Verwertungsanlage und aus Müll werde Ersatzbrennstoff. Der sei frei handelbar, sagte er.