Museum Zeitz Museum Zeitz: Stadt der Kinderwagen

Zeitz/Döschwitz/dpa. - Die Geburtsstunde des Kinderwagensliegt erst 164 Jahre zurück. Der Zeitzer Stellmacher Ernst AlbertNaether (1825-1894) brachte damals von seiner Wanderschaft durchEuropa eine Produkt-Idee mit: Er konstruierte 1846 einen Ziehwagen,der ausschließlich dazu bestimmt war, Säuglinge außerhalb des Hauseszu transportieren. Zuvor hatten die Mütter die Kleinen am Körpergetragen oder in einen Handwagen gesetzt. Naether fand schnellNachahmer in Zeitz - und die Kinderwagenindustrie ist bis heute einMarkenzeichen der Stadt.
Um 1900 war sie mit elf Firmen Zentrum der Kinderwagenfabrikationin Deutschland. Da der Alltag der jungen Mütter mit zunehmendemWohlstand nicht mehr nur aus Arbeit, sondern auch aus Freizeitbestand, waren die Spezialwagen für den Nachwuchs begehrt. «Diejungen Mütter unternahmen in ihrer Freizeit Spaziergänge undAusflüge», blickt die Leiterin des Deutschen Kinderwagenmuseums inZeitz, Kristin Otto, zurück.
Die Dauerausstellung im Schloss Zeitz zeigt die Geschichte derKinderwagenindustrie - einmalig in Deutschland. 600 Kinderwagen ausdrei Jahrhunderten sind zu sehen, außerdem allerlei weitereErfindungen für die Kleinsten: Puppenwagen, Kinderfahrzeuge,Kindermöbel, Schaukeln, Laufgitter, Stubenwagen und Erstlingsbetten.«Jährlich kommen rund 10 000 Besucher», sagt Otto. «Fast jeder suchtseinen Wagen. Viele entdecken auch ihren Puppenwagen, Kinderstuhloder Roller wieder.»
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Firmen in Zeitz enteignetund im Volkseigenen Betrieb Zeitzer Kinderwagenindustrie, kurz VEBZekiwa, zusammengefasst. Bis zur Wende war das Werk mit 2800Mitarbeitern der größte Kinderwagenproduzent Europas. Jährlichverließen 460 000 Kinderwagen und 150 000 Puppenwagen dieFertigungsbänder. Jedes Baby in der DDR lag in einem Zekiwa-Wagen.Ein Teil der Firma wurde ein Wahrzeichen von Zeitz: Weithin sichtbarführte eine Förderband-Konstruktion quer durch die Stadt - von derProduktionsstätte zum Lager.
Nach der Wende brachte der Strukturwandel für Zekiwa 1996 dieInsolvenz. «Wir standen von heute auf morgen ohne etwas da», erinnertsich Evelin Schönefuß, die Geschäftsführerin der heutigen ZekiwaGmbH. Sie beschloss damals einen Neuanfang. Die Produktion wurde nachFernost ausgelagert. In Zeitz blieben der Vertrieb, dieMusternäherei, die Entwicklung und das Lager mit insgesamt zwölfMitarbeitern.
Derzeit können Eltern zwischen 30 Kinderwagen- und 15Puppenwagenmodellen von Zekiwa wählen. Die Zeit, in der Babys inKinderwagen mit großen Rädern oder aus sperrigem Korb gefahrenwurden, ist weitgehend vorbei. Im Zuge der wachsenden Mobilität inder Gesellschaft zähle vor allem Funktionalität, sagte Schönefuß.Beliebt seien nach wie vor der kombinierten Kinder- und Sportwagen,in denen die Jüngsten Platz bis zu ihrem dritten Lebensjahr Platzhaben. «Die Leute achten besonders darauf, dass der Kinderwagen inihr Auto passt», sagt Schönefuß.
Deutsches Kinderwagenmuseum: Schlossstraße 6, 06712 Zeitz