1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zeitz
  6. >
  7. Mittelstand in Osterfeld: Mittelstand in Osterfeld: Zeit mit Tradition

Mittelstand in Osterfeld Mittelstand in Osterfeld: Zeit mit Tradition

Von iris richter 16.04.2014, 15:45
In seiner Werkstatt bringt Rainer Ritschel vor allem historische Zeitmesser wieder zum Laufen.
In seiner Werkstatt bringt Rainer Ritschel vor allem historische Zeitmesser wieder zum Laufen. MZ Lizenz

Osterfeld/MZ - Rainer Ritschel sitzt in seiner kleinen Werkstatt und versucht, einem alten Regulator wieder zum Gong zu verhelfen. Manches Werkzeug, das der gelernte Uhrmacher dafür benutzt, stammt noch von seinem Schwiegervater. „Früher haben wir hier zu dritt gesessen und Uhren repariert“, berichtet der 71-Jährige, der gemeinsam mit seiner Frau in der Osterfelder Rinnegasse ein Geschenke- und Uhrengeschäft samt Reparaturwerkstatt betreibt. 120 Jahre ist der kleine Familienbetrieb in diesem Jahr alt und damit der älteste seiner Art in der Kleinstadt.

1894 wurde der Betrieb durch Uhrmachermeister Hermann Held, damals ein paar Meter entfernt in der Rote Gasse, gegründet. Dreißig Jahre nach Geschäftsgründung starb Held und Tochter Else und Schwiegersohn Ernst Koch übernahmen den Laden. Der Sohn des Paares, der ebenfalls Ernst hieß, lernte auch Uhrmacher, legte 1951 seine Meisterprüfung ab und übernahm im selben Jahr den Familienbetrieb von seinen Eltern. Diesen richtete er allerdings am jetzigen Standort in der Rinnegasse ein, wo sich bis dahin ein Kolonialwarenladen befand.

„Mir blieb eigentlich als einzige Tochter gar keine andere Wahl, als auch Uhrmacher zu lernen, obwohl ich viel lieber Kindergärtnerin geworden wäre. Doch dafür hatte ich ohnehin keine Lehrstelle bekommen“, berichtet Heidrun Ritschel. Die 67-Jährige hat die Familientradition in vierter Generation fortgesetzt und kann im kommenden Jahr mittlerweile die 25-jährige Firmenübernahme feiern. Lange Jahre hatte sie bei ihrem Vater in der Werkstatt gearbeitet, genau wie ihr Mann, der eigentlich Musik studiert hatte und auf Uhrmacherei umsattelte.

Viel hat sich verändert

Von der Pike auf hat Rainer Ritschel den Handwerksberuf bei seinem Schwiegervater erlernt. „Mich haben Uhren und deren Mechanik schon immer interessiert und die Musik ist zum Hobby geworden“, erzählt Rainer Ritschel und freut sich, dass es immer noch Leute gibt, die ihre alten Zeitmesser reparieren lassen. Vor rund 16 Jahren gründete er die Osterfelder Blasmusikanten mit und bläst dort das Waldhorn. Auf Festen der Umgebung spielen sie vor allem im Sommer regelmäßig auf.

Eigentlich könnten die Ritschels längst in Rente gehen, doch sie wollen so lange weiter machen, wie es geht. „Es würde mir schon irgendwie leidtun, den Laden zu schließen, und zum Glück befindet er sich ja in unserem eigenen Haus, wir müssen also keine Miete zahlen“, gibt Heidrun Ritschel zu, deren Sohn zwar auch Uhrmacher gelernt hat, mittlerweile aber in einem Baumarkt sein Geld verdient und damit glücklich ist.

Über die Jahre habe sich viel verändert, sind sich Ritschels einig. Nach der Wende habe man Textilien und sogar Spielzeug mit ins Sortiment genommen und die Kunden hätten es dankend angenommen. Jetzt habe sich das Kaufverhalten der Leute verändert. Viele kaufen in den großen Einkaufszentren, so dass kleine Läden, auch in Osterfeld, es schwer haben, zu überleben. Mittlerweile gehören neben Schmuck und Uhren sowie der Reparatur letzterer, vor allem preiswerte Geschenkartikel von der originellen Kerze bis zu witzigen Schnapskreationen zum Angebot von Ritschels. Manche Kunden kommen allerdings manchmal nur, um einen Schwatz zu halten. Und so sind die beiden darüber, was in und um Osterfeld passiert, immer auch bestens informiert. „Am liebsten würde ich manchmal noch Stühle vor dem Haus aufstellen und einen Kaffee anbieten“, meint Heidrun Ritschel schmunzelnd.