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Mit Lockenwicklern durch die Stadt

Von Klaus-Dieter Kunick 14.10.2004, 17:17

Weißenfels/MZ. - Das Einkaufen war gestern Vormittag im Weißenfelser Zentrum zweitrangig. Und das zwangsläufig. Gab es doch nur ein Thema, über das gesprochen wurde: der Stromausfall.

Betroffen davon waren auf dem Markt viele Händler. Wie Achim Dölitzsch aus Königshofen, der Wurst- und Fleischwaren anbot. Da seine Kasse ausfiel, musste er mit den Waren, die er verkaufen wollte, einige Meter hinüber zum Obst- und Gemüsestand Diethe gehen. Dort stellte ihm Martina Hoffmann ihre stromunabhängige Waage zur Verfügung. "Ich fand das sehr nett", bedankte sich Dölitzsch. "Wir müssen uns untereinander helfen, das geht gar nicht anders", erklärte Frau Hoffmann. Am Fischstand von Matthias Ruh aus Luckenau fiel die Kühlung aus. "Wir kühlen mit Eis", erklärte er. Zum Glück führte Ruh noch ein Waage mit Akkubetrieb bei sich, "ansonsten hätten wir nach Hause fahren können", so der junge Mann.

"Wir lassen heute Nachsicht walten", meinte Sachgebietsleiter Maik Trauer vom Ordnungsamt der Stadtverwaltung. Er sprach gerade mit Politessen, die die Parkuhren kontrollierten. Wenn eine Uhr ausfällt, dann sei die Parkscheibe zu benutzen, mahnte Trauer.

Erhebliche Aufregung herrschte im Friseursalon von Andrea Sommer in der Nikolaistraße. "Als der Strom ausfiel, drehten wir gerade bei einer Frau die Haare ein. Sie hatte ihrem Mann versprochen, dass sie gleich wieder zu Hause ist", sagte Frau Sommer. "Doch da der Strom nicht wiederkam, fuhren wir die Frau mit den eingedrehten Lockenwicklern in den Haaren, um die wir zusätzlich ein Handtuch wickelten, mit unserem Betriebsauto nach Hause", erzählte Frau Sommer. Die betroffene Kundin, so die Geschäftsfrau weiter, musste nämlich zu ihrem pflegebedürftigen Mann zurück, der sich natürlich ansonsten Sorgen gemacht hätte. "Wir fuhren sieben Frauen, die schon unter der Haube zum Trocknen saßen, mit dem Auto in unsere Filiale nach West, um dort die Haare weiter zu fönen. Wir mussten improvisieren, anders ging es nicht", so Frau Sommer.

Im Goethe-Gymnasium wurde der Unterricht teilweise anders gestaltet, denn in einigen Fächern konnten technische Geräte nicht eingesetzt werden, berichtete Schulleiter Dirk Weniger. Schlimmer sei, kein Wasser zu haben, denn dann funktionieren die Toiletten nicht, ergänzte er. "Aber so kriegen wir das in den Griff, es gibt Schlimmeres", sagte der Pädagoge. Zwar sei die Heizung ausgefallen, aber da es draußen noch erträglich sei, sinke die Zimmertemperatur nicht schlagartig, informierte Weniger.

In der Jüdenstraße hing in zahlreichen Geschäften an der Eingangstür ein Schild: Wegen Stromausfall geschlossen. Viele Läden machten gar nicht erst auf. "Das ist eine wahnsinnige Einbuße", brachte es Verkäuferin Kerstin Baranowski von der Bäckerei Sternenbäck auf den Punkt. Normalerweise sei um diese Zeit Hochbetrieb, zumal auch Markttag sei, fuhr sie fort. Verkaufen könne man aber einiges, weil alles aufgeschrieben und später in die Kasse eingetippt werde. "Schreiben Sie eine Schadensklage, wir unterschreiben alle", rief ein Mann der Verkäuferin zu.

Im Fotolabor-Shop in der Jüdenstraße hatte sich Verkäuferin Manuela Schreiber eine Kerze angezündet. "Einige Kunden kommen doch rein", sagte Frau Schreiber. Sie kassiere ab und trage das später in die Kasse nach, war von ihr zu erfahren. Das sei nun mal mit ein bisschen Arbeit verbunden. Einige Frauen, die in der Jüdenstraße standen, machten ihrem Herzen Luft. "Da redet man von globaler Erwärmung der Erde, aber hier frieren wir uns einen ab", sagte eine von ihnen. Denn man könne ja nicht einmal einen Kaffee trinken gehen. Das gehe wie in der Steinzeit zu, meinte eine andere. Im Geschäft von Mäc-Geiz, das nicht betroffen war, pulsierte hingegen das Leben. "Wir können über Kunden nicht klagen", sagte Filialleiterin Angela Grosam schmunzelnd.