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Leute von nebenan Leute von nebenan: Jugenderlebnis prägt Lebensmaxime

Von Anka Stolper-Heinike 19.01.2004, 21:12

Teuchern/MZ. - Einschneidende Erlebnisse prägen das ganze Leben. Davon ist Harry Gens fest überzeugt. Hatten doch jugendlicher Leichtsinn und voreiliges Handeln für den heutigen SPD-Kreistagsabgeordneten weitreichende Folgen. Der sehr ruhig und eher bedächtig wirkende Vater von drei erwachsenen Kindern kann sich noch gut an jenen Tag im Frühjahr 1965 auf hoher See erinnern. Versonnen blickt er auf das im Kamin lodernde Feuer und erzählt von seiner Lehre als Hochseefischer in Saßnitz.

"Ich hatte die fixe Idee, vom Kutter aus mit der Luftmatratze nach Bornholm zu schwimmen, weil es in Sichtweite war. Doch das ging schief", berichtet Harry Gens. Noch heute kämpft er manchmal in Gedanken gegen die Ostsee-Strömung, die ihm die Kraft und beinahe auch das 17 Jahre junge Leben raubt und schließlich veranlasst, zum Schiff zurückzukehren. Ein Jahr Gefängnis im Jugendhaus Luckau lautet die Strafe für die versuchte Flucht aus der DDR.

Im Frühjahr 1966 wird Harry Gens entlassen. Ohne Lehrabschluss, aber mit einigen Kenntnissen im Elektro-Schweißen kehrt er in seinen Wohnort Prittitz zurück. In der PGH Stahl Weißenfels muss er zuerst als Helfer arbeiten. Nach einer Lehre zum Stahlbauschlosser baut er Container.

"Eine stupide Arbeit, die mich keinesfalls ausfüllte", erinnert sich Gens. Während der Abendschule büffelt er in der Weißenfelser Goethe-Oberschule fürs Abitur, das er 1969 mit Auszeichnung besteht. Ein guter Mathelehrer empfiehlt ihm das Studium. Er befolgt den Ratschlag, studiert ab 1971 vier Jahre lang an der TU Dresden Mathematik und beginnt danach im Rechenzentrum des Zeitzer Hydrierwerkes zu arbeiten.

Harry Gens trifft seit jenem Jugenderlebnis 1965 keine voreiligen Entscheidungen mehr und wägt stattdessen lieber mehrmals ab. Das sei bei seinem Eintritt in die SPD 1991 nicht anders gewesen, betont der 56-Jährige, der trotzdem nicht verschweigt, von der Euphorie der Wendejahre zur politischen Aktivität motiviert worden zu sein. "Wir wollten Demokratie erleben und ausüben, sind damals ins befreundete Borken nach Hessen gefahren, um dafür notwendige Strukturen kennen zu lernen", erinnert sich der Mann, der schon 1990 als Parteiloser für die Sozialdemokraten in den Hohenmölsener Kreistag einzog und heute im Weißenfelser Kreistag und im Kreisvorstand der SPD mitwirkt.

Doch Gens, der die Reformen der Bundesregierung befürwortet, für eine große Parteien-Koalition plädiert, aber die Schulpolitik in der Bundesrepublik als "furchtbar" bezeichnet, ist nicht nur ein politischer Mensch. Die intakte Familie sei das absolut Wichtigste und seine Basis im Leben. Für die drei Kinder - 20, 28 und 31 Jahre alt - wolle er Freund und Partner sein, betont er. Mit Frau Angela - sie ist Fahrdienstleiterin bei der Bahn - pflegt Harry Gens viele Hobbys wie das Volleyballspiel beim SV Teuchern und bei Schwarz-Gelb Weißenfels oder das Singen im Stadtchor seiner jetzigen Heimatstadt.

Regelmäßige Sauna-Besuche, Wintersport und Bergwandern halten ihn fit und schlank. Letzteres sei für ihn und seine Frau wie eine Sucht, gibt er lachend zu und erzählt auch von der Fotografie. Schwedische Krimis sind für Gens das Nonplusultra. Und in drei Jahren geht er nach Absprache mit seinem Arbeitgeber in Altersteilzeit.