Kahlschlag im Paradies Kahlschlag im Paradies: "Sehr wenig Geld für immens hohen Aufwand"

Nonnewitz - Von wegen Paradies, der Wald ist in Not. Zwei Dürresommer in Folge und der massive Befall von Borkenkäfern haben den Wäldern der Region massiv zugesetzt. Die Besitzer sind in Sorge. „Jetzt haben wir als Grundstückseigentümer von der Gemeinde Elsteraue zum ersten Mal noch einen Umlagebescheid für den Unterhaltungsverband (UHV) Weiße Elster zu zahlen“, macht Christian Zimmermann seinem Ärger Luft.
Seine Familie besitzt einige Hektar Wald, so zum Beispiel in der Flur von Rehmsdorf. Ausgerechnet „Paradies“ heißt das Waldstück. Doch paradiesische Zustände, die gebe es nicht.
8,93 Euro pro Hektar für Wald, Wiese und Felder
8,93 Euro pro Hektar für Wald, Wiese und Felder sollen die Waldbesitzer an den Unterhaltungsverband Elster zur Gewässerunterhaltung zahlen. „Warum ich für den Wald diese Umlage bezahlen soll, kann ich wirklich nicht verstehen“, ist Zimmermann ratlos. Jeder wisse, dass der Wald Wasser aufnimmt, reinigt und speichert, aber kein Wasser in den Vorfluter abgibt. Die Gemeinde Elsteraue erhebt auf Grundlage des Wassergesetzes erstmals diese Umlage und reicht das Geld an den UHV weiter.
Gemeinsam mit Klaus Beer, Heinz Köhler, Günter Seydel und Dietmar Kühling bespricht Zimmermann in Nonnewitz das weitere Vorgehen. Heinz Köhler und Günter Seydel etwa gehören zu den 26 Mitgliedern der Forstbetriebsgenossenschaft Dreiländereck, einem Zusammenschluss von 26 Waldbesitzern mit rund 300 Hektar Wald. „Der Preis für den Holzverkauf ist auf ein Drittel gesunken. Wir bekommen gerade noch acht Euro für den Festmeter“, erzählt Heinz Köhler.
Ausgaben steigen jedes Jahr weiter
Die Ausgaben steigen dennoch jedes Jahr weiter. So müsse man etwa nach dem Borkenkäferbefall kranke Fichten fällen, wegräumen und wieder aufforsten. „Der UHV schadet uns mehr, als dass er nützt. So haben sie zum Beispiel in einem kleinen Bach in meinem Wald das Totholz beräumt. Dadurch fließt das bisschen Regenwasser noch schneller ab und legt mir den Wald trocken“, sagt Seydel.
Nach Auffassung von Bauer Klaus Beer müssten nicht die Landwirte und Waldbesitzer zur Kasse gebeten werden. „Auf unseren Feldern versickert der Regen, erst recht nach den langen Trockenperioden. Von unseren Grundstücken fließt kein Regen in die Vorfluter. Die größeren Probleme liegen bei den versiegelten Flächen in den Kommunen“, sagt Beer. Also sollten die doch bitte zahlen. Die Waldbesitzer sind nicht die Klimakiller, sondern vielmehr die Klimaschützer.
„Der Wald nimmt pro Jahr und Hektar zirka 13 Tonnen Kohlendioxid auf“
Gemeinsam hat die Runde eine Rechnung aufgemacht. „Der Wald nimmt pro Jahr und Hektar zirka 13 Tonnen Kohlendioxid auf und speichert diese“, fasst Zimmermann zusammen. Ihre Rechnung wollen die regionalen Waldbesitzer an das Umweltministerium schicken: Die Industrie muss zirka zehn Euro pro Tonne Kohlendioxid im Zertifikat-Handel zahlen. Bekäme der Waldbesitzer für jenes Kohlendioxid, was der Wald speichert, ebenfalls zehn Euro wie beim Zertifikate-Handel dann würde er 130 Euro pro Hektar erhalten.
Wissenschaftler des Thünen-Instituts haben berechnet, dass im Jahr 2017 in deutschen Wäldern 1,23 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert wurde, fünf Prozent mehr als 2012. Der Kohlenstoff im Totholz beliefe sich nach dieser Rechnung auf 33,6 Millionen Tonnen. Wälder entziehen laut Thünen-Institut der Atmosphäre jährlich etwa 62 Millionen Tonnen Kohlendioxid, in Deutschland werden damit rund sieben Prozent der Treibhausgas-Emissionen kompensiert.
„Man bekommt sehr wenig Geld für einen immens hohen Aufwand“
Doch statt die Waldbesitzer zu unterstützen, fühlen diese sich abgezockt. „Man bekommt sehr wenig Geld für einen immens hohen Aufwand“, sagt Dietmar Kühling. Regelmäßig nehmen die Waldbesitzer an politischen Veranstaltungen teil. Doch sie hätten dabei kein gutes Gefühl. Besonders die Aussage von Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsstaatssekretär Klaus Rehda (Grüne) stieß auf Kopfschütteln.
Rehda sagte jüngst auf einer Fachtagung in Hundisburg (Börde): „Wer sich Wald leistet, muss auch sehen, wie er damit klar kommt.“ Komme man damit nicht mehr klar, so könne der Waldbesitzer laut Rehda den Wald verschenken - so geben die Waldbesitzer seine Aussage wieder.
„Wir fordern eine Wertschätzung und eine Unterstützung durch die Politik.“
„Das war für uns der Gipfel und erinnert mich an die Zwangskollektivierung. 1959 war es als mein Vater seine Felder abgeben sollte und in den LPG eintreten sollte“, erinnert sich Köhler. Die Nonnewitzer Runde ist sich einig: „Wir fordern eine Wertschätzung und eine Unterstützung durch die Politik.“
Der Naturschutzbund (Nabu) hatte im Sommer vor einem Waldsterben in Sachsen-Anhalt gewarnt. „Sturm, Trockenheit und Forstschädlinge haben Sachsen-Anhalt als waldarmes Land besonders getroffen“, sagte die Nabu-Landesgeschäftsführerin Annette Leipelt. „Das Land ist gefordert, die Waldbesitzer stärker und zügiger zu unterstützen“, so Leipelt.
Bisherige Mittel würden nicht ausreichen, um die Ausbreitung etwa des Borkenkäfers zu verhindern und den Waldumbau voranzutreiben. Damit teilt auch ein Umweltverband die Kritik der Waldbesitzer an der Förderpolitik des Agrarministeriums. (mz)