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Hannchen freut sich auf ein Wiedersehen

Von Uta Kunick 29.11.2004, 18:30

Zeitz/MZ. - Mit 14 Jahren sprach Johanna Kubissa im Landeskinderheim "Kurt Gutschmidt" vor. Nach einer zweimonatigen Testphase fing sie 1949 als Erzieherpraktikantin an. "Als jüngste in der DDR", erklärt sie mit stolzer Stimme. Drei Haupterzieher und drei Erzieherpraktikanten kümmerten sich um 87 Kinder im Alter zwischen drei und 18 Jahren. Und obwohl einige Heimkinder älter als die Praktikantin waren, kam "Hannchen" - wie sie liebevoll genannt wurde - mit allen zurecht. Die Kinder und Jugendlichen waren dankbar und lieb, erinnert sich Frau Kubissa gern an diese Zeit zurück. Auch wenn sie stets todmüde ins Bett fiel, weil sich der Dienst von früh sechs Uhr bis abends 21 Uhr erstreckte. Nur zwischendurch gab es zwei Stunden frei. Vorausgesetzt, es fehlte keine Erzieherin.

Die Arbeit mit Kindern machte Johanna Kubissa immer viel Spaß. So belegte sie einen Lehrgang zum Heimerzieher, den sie mit 17 Jahren beendete. Als im Zeitzer Stadtkinderheim "Franz Mehring" Erzieher fehlten, wechselte sie 1953 den Arbeitsplatz. Stationen im Schulhort Tröglitz, in der Pestalozzischule in Zeitz und im Referat Jugendhilfe schlossen sich an. In all den vielen Jahren behielt die nimmermüde Frau, die vieles in der Erziehungsarbeit ändern wollte und dadurch nicht immer bequem war, das Kinderheim am Knittelholz stets in lieber Erinnerung. Daher wollte Johanna Kubissa die letzten zehn Jahre ihres arbeitsreichen Lebens wieder dorthin zurück. Aber 1986 war nichts mehr, wie es war. Alles sei drunter und drüber gegangen. "Ich hab das seelisch nicht verkraftet", berichtet sie über jene Zeit. Die ganzen unverarbeiteten Erlebnisse schrieb sie in Gedichtform nieder. "Erst danach konnte ich ruhig schlafen."

Die Gedichte, die einen ganzen Ordner füllen, sprechen eine eigene Sprache. Das dicke Fotoalbum spricht eine ganz andere. Es erinnert Johanna Kubissa an die schönen Zeiten ihrer Erziehertätigkeit. "Das sind die Richterzwillinge, und das ist Margitta Landmann", sagt sie und zeigt auf ehemalige Heimkinder aus den 50er Jahren, die sie jetzt zu einem gemeinsamen Treffen eingeladen hat. Im Vorjahr startete das Pilotprojekt, bei dem 25 Ehemalige zusammenkamen.

Für das am Mittwoch anberaumte Wiedersehen haben sich weitaus mehr angekündigt. An ihre Schützlinge erinnert sich die Heimerzieherin noch ganz genau. Auch mit der Zuordnung dürfte es keine Problem geben, weil Frau Kubissa über ein gutes Personengedächtnis verfügt. Und so darf jeder davon ausgehen, dass "Hannchen" am Mittwoch diese oder jene vergessen geglaubte Geschichte wieder für alle in Erinnerung ruft.