Goldene Schulentlassung Goldene Schulentlassung: Schulbesuch nach 50 Jahren

Tröglitz/MZ - Christine Brüchert, Mitarbeiterin an der Grundschule Tröglitz, schließt am späten Samstagnachmittag für 21 Gäste gern die Schultür auf und führt durchs Haus. Die fröhliche, ja aufgekratzte Gruppe von Damen und Herren, die etwa in jenem Alter sind, mit dem laut Udo Jürgens „das Leben erst anfängt“, gibt sich als Klassentreffen zu erkennen. Und zwar ein besonderes - wie Ilona Franke, die das Treffen organisiert hat, erklärt: „Wir feiern heute unsere 50jährige Schulentlassung. Von 1953 bis 1963 sind wir in diese Schule gegangen - in die damalige zehnklassige Polytechnische Oberschule. Unserer Klasse 1b gehörten damals 32 Schüler an, zum Schulabschluss in Klasse 10 waren wir noch 26 Schüler.“
Auf den Treppenstufen vor dem Eingang baut sich die einstige 10b zum Erinnerungsfoto auf. Der Flachs blüht: „Da, der Peter dort, das war unser Klassenstreber...“ Die Damen, sommerlich chic gekleidet, die Herren nicht minder modisch, betreten das Schulhaus. Sofort kommen Erinnerungen auf. „Zu unserer Zeit gab’s hier eine Pförtnerin. Ja, das war Frau Kaulfuß“, fällt Ilona Franke ein und mehr. Auch, dass es damals Appelle gab. Etwas mehr Ordnung und Disziplin, das vermisse man heute an mancher Schule. Und: „Nachhilfe durch Lehrer und Lernpaten gab es damals auch“, so Ilona Franke.
Der „Klassenstreber“ mit der sportlichen Figur gibt sich als Peter Sparbrot zu erkennen. „Elektro-Ingenieur bin ich geworden und habe viele Jahre als Bauleiter gearbeitet. Für die Bahn habe ich Oberleitungen gebaut“, sagt er. Ein sinnerfülltes langes Berufsleben also? „Ja, von 1965 an bin ich 43 Jahre lang immer in der gleichen Firma gewesen - als Lehrling, Meister und Ingenieur. Nach der Wende wurde unser Betrieb durch eine große Firma übernommen. Die Wessis haben damals gestaunt, dass wir im Osten auch ohne Material bauen konnten“, meint Sparbrot stolz. Er wohnt jetzt im sächsischen Buchholz (bei Weißenberg) an der Autobahn zwischen Bautzen und Görlitz.
Zu den „goldenen“ Schulabschluss-Jubilaren zählt auch der Rehmsdorfer Bernd Renker. „Ich freue mich jedes Mal auf Klassentreffen und bin gern hier, auch um zu gucken, wie meine Schulfreunde und -freundinnen aussehen“, meint er augenzwinkernd. Renker hatte nach achtjähriger Rehmsdorfer Schulzeit die 9. und 10. Klasse in Tröglitz absolviert. „Ich habe mich hier sehr wohl gefühlt. Unser Klassenlehrer war für mich perfekt“, so Renker. Er erlernte die Berufe Elektriker und BMSR-Mechaniker, studierte danach und arbeitete im Rechenzentrum des Hydrierwerkes und später bei der Firma Data Informatik. Sein Herz schlägt für den Rehmsdorfer Sport, ist er doch Vorstandsmitglied beim SV Fortuna.
Neben Ilona Franke nennt Renker deren Schulfreundin Edeltraud Habel als Mitorganisatorin der regelmäßig stattfindenden Klassentreffen: „Das ist die kleine nette Person, die damals unser Klassenprimus war.“ - Edeltraud Habel wies den „Klassenprimus“ höflich, aber bestimmt zurück. „Ja, eine gute Schülerin war ich wohl, ich war aber nicht Klassenbester.“ Gern erinnert sie sich ihrer Schulzeit wie auch ihre Klassenkameradin Gisela Geipel. Edeltraud Habel zog nicht in die Fremde, sie blieb in Tröglitz, während Gisela Geipel vor 30 Jahren nach Kraftsdorf (am Hermsdorfer Kreuz) in „ein eigenes Häuschen“ umzog. Beide begrüßen den inzwischen zweijährigen Rhythmus ihrer Klassentreffen: „Wir haben es jetzt lieber etwas kürzer, weil wir ja nicht jünger werden.“ Als Tröglitzerin hat Edeltraud Habel den gewaltigen Umbruch am hiesigen Industriestandort miterlebt. „Ich war hier 41 Jahre als Krippenerzieherin tätig.“
Gerhard Bayerl ist der am weitesten angereiste Klassenkamerad in der munteren Runde. Er kommt aus Malsch (Kreis Oettlingen) in Baden-Württemberg. „Meine politische Einstellung gab den Ausschlag, dass ich Mitte der 80er Jahre nach drüben übergesiedelt bin“, erzählt er. „Beruflich hatte ich in meiner neuen Heimat keine Probleme, Fuß zu fassen. Als Diplomingenieur arbeitete ich in einem Architekturbüro“, sagt er.