Streit auf der Scholle Gärtner zeigen Zeitzer Regionalverband an - Wo ist das Pachtgeld geblieben?
Der Kleingartenverein "Am Wehr" in Großosida zahlt seit mehr als zehn Jahren seine Pacht an den Regionalverband. Doch die Gemeinde geht leer aus und bekommt die Pacht nicht.

Großosida/MZ - Der Vorstand des Kleingartenvereins Am Wehr in Großosida hat den Kanal vom Regionalverband der Kleingartenfreunde Zeitz und Umgebung voll. „Wir haben gegen den Verband Strafanzeige wegen Unterschlagung gestellt“, sagt Georg Stibale.
Und das kam so: Der Regionalverband hat Jahr für Jahr von den Gärtnern in Großosida Pacht gefordert und diese auch pünktlich erhalten. „In einem Gespräch mit unserem Bürgermeister Stefan Leier habe ich erfahren, dass es zwischen der Gemeinde und dem Regionalverband gar keinen Pachtvertrag gibt, gezahlt haben wir aber trotzdem jedes Jahr“, erzählt Stibale.
Mehr als 10.000 Euro seien so an den Regionalverband gezahlt worden. Der Grund und Boden der Gartenanlage gehört zu einem Teil der Gemeinde, zum anderen Teil einer ortsansässigen Familie. „Es ist definitiv kein Geld vom Regionalverband an die Gemeinde Gutenborn geflossen“, sagt Bürgermeister Stefan Leier (CDU). In einem Schreiben vom 24. November 2021 bestätigt auch die Verbandsgemeinde Droyßiger-Zeitzer Forst, dass „seit 2010 kein Pachtzins für die Fläche mehr erhoben wurde“. Denn es gab Unstimmigkeiten über die Eigentumsverhältnisse.
Nach der Wende habe die Bodenverwertung- und -verwaltungs Gesellschaft (BVVG) das Gelände verwaltet und 2010 der Gemeinde übergeben. Danach sei das Grundstück in Gemeinde-Eigentum übergegangen. „Jedes Jahr haben wir als Verein vom Regionalverband eine Rechnung über Pacht und Mitgliedsbeiträge bekommen und das Geld bezahlt“, fährt Stibale fort. Die Pacht für die Anlage beträgt rund 1.000 Euro im Jahr für die kommunale Fläche. Und noch einmal so viel für die Fläche des privaten Eigentümers.

Was sagt der Regionalverband zu dem Vorwurf? „Natürlich haben wir einen Pachtvertrag. Dieser stammt vom 20. Juli 1961“, entgegnet Wilfried Ammer, Vorsitzender des Regionalverbandes. Doch der Streit sei vor Monaten eskaliert. „Nach der Strafanzeige gegen mich habe ich die ganze Sache unserem Anwalt übergeben“, sagt Ammer und zeigt ein anwaltliches Schreiben vom 7. Oktober 2022. Darin beruft sich der Regionalverband auf besagten Pachtvertrag von 1961 und auf eine Vereinbarung mit der BVVG vom 20. Juli 2010.
Der Regionalverband würde dem Austritt zum 31. Dezember 2022 zustimmen, wenn der Verein keine finanziellen Forderungen mehr stellen würde, so lautet jetzt der Vorschlag des Anwaltes an den Verein. Außerdem verschickte der Regionalverband im September eine neue Beitragsrechnung für das kommende Jahr. „Wir haben kein Schreiben von einem Anwalt erhalten und die Beitragsrechnung für 2023 zurückgeschickt“, sagt Stibale und auch der Vereinsvorsitzende bestätigt das.
Stibale wohnt in Zeitz und hat seit 1990 eine Parzelle Am Wehr bei Großosida. Der 72-Jährige ist stellvertretender Vorsitzender im Verein. Insgesamt gibt es 41 Gärten und 35 Mitglieder. Die Größe der Parzellen reicht von zirka 400 Quadratmeter bis zu 1.000. Ein Mitglied bewirtschaftet sogar drei Gärten. Leerstand gibt es nicht, dafür eine Warteliste mit aktuell vier neuen Kandidaten für die Anlage an der Weißen Elster.
„Als wir erfahren haben, dass es zwischen Gemeinde und Regionalverband keinen Pachtvertrag gibt, haben wir uns das von der Gemeinde schriftlich bestätigen lassen“, fährt Stibale fort. Dieses Schreiben von der Gemeinde trägt das Datum 24. November 2021. Fünf Tage später schrieben Stibale und der Vereinsvorsitzende an den Regionalverband. „Es stellt sich die Frage, was mit dem gezahlten Pachtzins von 2010 bis 2020 geschehen ist. Wir sind unseren Mitgliedern dazu rechenschaftspflichtig“, heißt es in dem Brief. Man plane im März 2022 die nächste Mitgliederversammlung und bitte daher bis Ende Februar um Auskunft. Doch der Regionalverband reagierte nicht auf die Schreiben. Allerdings als Wilfried Ammer zu jener Versammlung wollte, wurde ihm der Zutritt verwehrt.

„Leider haben wir vom Regionalverband bis heute nicht erfahren, was mit unserem Geld passiert ist“, fährt Stibale fort. Auf Schreiben und Anrufe habe der Regionalverband nicht reagiert. Aus diesem Grund erfolgte eine außerordentliche Kündigung der Mitgliedschaft am 9. Mai 2022. „Wir erwarten eine verbindliche Aussage, wann das unrechtmäßig eingeforderte Geld an den Verein zurücküberwiesen wird. Dazu setzen wir eine Frist bis zum 31. Mai 2022“, heißt es in der Kündigung. Gleichzeitig informierte der Verein den Landesverband der Gartenfreunde. „Im Mai haben wir dann bei der Polizei Anzeige erstattet“, sagt Stibale. Doch auch vom Landesverband der Kleingärtner erhielt der kleine Verein bisher keine Antwort. „Erstens halten wir uns bei Strafanzeigen raus, zweitens enthielt das Schreiben keine Frage an uns“, sagt Olaf Weber, Leiter der Geschäftsstelle Magdeburg. Im November wolle er zur Verbandssitzung nach Zeitz kommen und sich den Fragen der Mitglieder stellen.
Was ist mit dem Geld, also der Pacht der Kleingärtner geworden? Diese Frage stellt die MZ auch Wilfried Ammer, Chef des Regionalverbandes. „Ich bin erst seit knapp einem Jahr im Amt und habe ein schweres Erbe übernommen“, sagt Ammer. Ob die Pacht an die Gemeinde weitergezahlt wurde, wisse er nicht, darüber könnte vor allem der ehemalige Vorsitzende Herbert Hedrich Auskunft geben.
Herbert Hedrich schüttelt nur mit dem Kopf. Nach 31 Jahren ehrenamtlicher und 26 Jahren hauptamtlicher Tätigkeit legte er im Juni 2021 sein Amt als Vorsitzender und Geschäftsführer des Regionalverbandes nieder. „Wir haben für jeden Verein eine Mappe angelegt, darin sind alle Unterlagen. Wilfried Ammer war schon vier, fünf Jahre im Vorstand aktiv und Vera Meyer schreibt bis heute die Rechnungen für die Vereine. Sie müssen es wissen“, sagt Hedrich. Außerdem gab es Kassierer und Schriftführer. „Es gab eine Revision, bei der die Finanzen überprüft wurde und ich wurde danach entlastet“, sagt Hedrich.
Die Gärtner in Großosida haben ihre Konsequenzen gezogen und arbeiten mit der Gemeinde Gutenborn zusammen. „Wir arbeiten an einen neuen Pachtvertrag direkt mit dem Gartenverein“, sagt Bürgermeister Leier. Der Gemeinderat wird sich mit dem Thema befassen. Ziel ist es, ab 1. Januar 2023 einen neuen Vertrag abzuschließen.