Ersatz-Familie wird zum Glücksfall
Zeitz/MZ. - Jaqueline Weitze nennt es Glück, dass sie als eines der ersten Kinder in das Kinderdorf-Haus in Zeitz aufgenommen wurde. Das war 1993. Damals war Jaqueline neun Jahre alt und schon zwei Jahre im Heim im Knittelholz. Heute ist sie 25 und seit sieben Jahren ausgezogen aus dem Haus der Ersatz-Eltern, in dem die Kinder nur bis Vollendung des 18. Lebensjahres bleiben dürfen. Dennoch kehrt Jaqueline Weitze gern in das Haus zurück, kommt mindestens einmal im Jahr ein paar Tage zu Besuch.
So auch vor wenigen Tagen. "Ohne meine Familie wäre meine Entwicklung wohl nicht so glatt gelaufen", sagt die gelernte Altenpflegerin, die mit ihrem Freund in Baden-Württemberg lebt. Dabei verweist sie auf Unterschiede, die sie zwischen Heim und Kinderdorf-Haus ausgemacht hat. "Im Heim gibt es viele Kinder, aber nichts Familiäres. Es ist ein ständiger Machtkampf", erinnert sich Jaqueline. Die Situation in der Ersatzfamilie sei eine ganz andere. In Gerda Kipping habe sie eine Ersatz-Mutter gehabt, die jederzeit für sie da gewesen sei. "Wenn ich Probleme habe, rufe ich auch heute noch zu Hause an", sagt Jaqueline. Dabei tippt sie mit dem Finger auf das Ledersofa, auf dem sie sitzt. Und betont. "Das ist hier."
Während sie als Heimkind das Gefühl vermittelt bekommen habe, dass sie anderen leid tue, sei ihr im Kinderdorf-Haus Selbstbewusstsein und Geborgenheit vermittelt worden. "Ich habe Liebe und Vertrauen erhalten und gelernt meine Meinung zu äußern", sagt Jaqueline entspannt. Und ergänzt: "Wir haben gelernt, uns richtig zu äußern, in Ruhe zu hinterfragen", das sei ganz wichtig. Dass jetzt andere Kinder dort spielen, wo einst Jaquelines Lieblingsplätze im Haus waren, macht sie froh. Viele kenne sie schon nicht mehr aus gemeinsamer Kinderzeit. Aber es sei gut, dass auch sie hier ein Zuhause haben, in einer Familie aufwachsen.
Das ist der Unterschied zum Heim, den Jaqueline für entscheidend hält. Es seien die Schmuseeinheiten mit der Ersatz-Mutter, die kleinen Abenteur mit dem Ersatz-Vater, die gemeinsamen freien Tage der Familie oder die Weihnachtsfeste, die im Gedächtnis bleiben. Es sind Erinnerungen, die eine Familie ausmachen.