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Ein ganzes Dorf bewahrt die Flamme

Von HARTMUT LANDES 19.07.2009, 15:48

OSSIG/MZ. - Sie ist Vorsitzende des Kinderfestvereins Ossig und damit quasi Hauptorganisatorin des Kinderfestes in dem kleinen Dorf, dessen Flamme seit 145 Jahren lodert. So war es auch wieder am vergangenen Sonnabend, als mit einem Umzug durch den Ort und zum Grab von Johann Gottlob Rössler, dem Initiator des Festes, die Ossiger ihre Liebe zu Kindern und ein Stück weit sich selbst feierten.

Bei der Vorbereitung und Durchführung des Festes, das sich mittlerweile zu einer Festwoche entwickelt hat, kann Kathrin Rauh auf viele Helfer bauen. "Das Feuer dieses Festes brennt in kleinen und großen Ossigern", meint sie. Deshalb seien auch so viele Erwachsene an dem Fest beteiligt. Eine davon ist Ingrid Rauh. In Landfrauentracht bewegt sie sich im historischen Festzug und gewährt einen Blick in den Korb an ihrem Arm. Plätzchen und anderes Feingebäck kommen zum Vorschein. "Alles, was Kinder gern essen", betont Frau Rauh und beginnt das Gebäck an die Kinder zu verteilen. Warum sie beim Kinderfest mitmache, dafür hat sie eine einfache Erklärung: "Jedem Ossiger bedeutet dieses Fest sehr viel. Da gehört Mitmachen dazu. Und das ist seit Generationen so."

Bevor es ans Feiern geht, gedenken die Ossiger dem Initiator des Festes Johann Gottlob Rössler. Am Grab des Maurergesellen legen traditionell Schulanfänger aus dem Dorf Blumen nieder. In diesem Jahr übernehmen Robert Kunisch und Max Neubauer diese Aufgabe. Roberts Vater André Kunisch, der zu den Rückkehrern im Ort gehört, würdigt die Wirkung des Festes auf die Dorfgemeinschaft. "Hier hilft einer dem anderen." Und kinderfreundlich seien die Ossiger allemal, auch wenn man das nicht an Kindereinrichtungen festmachen könne.

Auf dem Festplatz tummeln sich derweil Kinder bei traditionellen Spielen, die andernorts in Vergessenheit geraten sind. Da werden Schiffe über das Wasser in einer Zinkbadewanne gepustet, da wird am Festbaum geklettert oder versucht, eine Eisentaube ins Ziel zu steuern. Auch das Schießen mit Pfeil und Bogen gehört zu den traditionellen Kinderspielen, bei denen erwachsene Ossiger als Helfer zur Seite stehen. Ralf-Dieter Höfer freut sich über das bunte Treiben, sagt: "Zum Kinderfest kommen junge und alte Ossiger wieder nach Hause." Das gilt auch für Magda Elias. Die 90-jährige Ehrenvorsitzende des Kinderfestvereins prägte über Jahrzehnte dieses Ereignis, lebt heute in einem Pflegeheim in Zeitz. Am Rande des Umzugs meinte sie: "Das zu sehen erfüllt mich mit Stolz. Ich habe dabei immer das Alte vor Augen, wie wir das Fest selbst gestaltet haben."

Doch nicht nur Bekanntes, sondern auch Neues erleben die Besucher bei der 145. Festauflage. Und zu dem gehört eine Bildergalerie mit mehreren hundert Fotos aus der Geschichte des Festes. Vor den historischen Aufnahmen drängen sich bald zahlreiche Festgäste. Und viele von ihnen haben mit Leihgaben zur Galerie beigetragen oder erkennen sich auf Fotos wieder. So auch Margot und Werner Müller. Sie verweisen auf ein Bild aus dem Jahr 1932, das sie zusammen mit den Schulkindern des Ortes zeigt. "Wir waren damals 35 Kinder", erinnert sich Margot Müller und verweist noch auf ein anderes Dokument, das deutlich macht, wie die Ossiger ihre Tradition leben. Das Foto zeigt Margots Schwiegervater Walter Müller, einem Maurerpolier, der am Grab des Maurergesellen Rössler Blumen niederlegt.