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Heimatgeschichte Der Zeitzer Nudelkönig war beim Zwieback schneller als „Brandt“

Max Emmerling machte die Nudel- und Zwieback-Herstellung in Deutschland populär. Wer der visionäre Unternehmer eigentlich war.

Von Petrik Wittwika 06.01.2022, 18:00
Emmerlings ehemalige Teigwaren- und Zwieback-Fabrik hat sich als „Nudel“ längst einen neuen Namen als Ort der Kultur gemacht.
Emmerlings ehemalige Teigwaren- und Zwieback-Fabrik hat sich als „Nudel“ längst einen neuen Namen als Ort der Kultur gemacht. Foto: Petrik Wittwika

Zeitz/MZ - Nudeln, Pasta und Spaghetti genießen unbeeindruckt allen Wandels in der Ernährungsindustrie Hochkonjunktur: In Zeiten der Coronavirus-Pandemie entdeckten die Deutschen und ihre europäischen Nachbarn scheinbar über Nacht Teigwaren als ein Lebensmittel neu, das rein psychologisch betrachtet neben seinem Nährwert, über den sich Wissenschaftler allerdings allzu gern streiten, für Verlässlichkeit und vielfältige Zubereitung steht. Anders sind die bisweilen leergekauften Regale in den Supermärkten wohl nicht zu erklären gewesen.

Aber Makkaroni und Co. lassen sich längst nicht nur hervorragend hamstern. Das wusste ein Zeitzer sehr genau, der sich regelrecht leidenschaftlich der Nudel und dem Zwieback geradezu visionär verschrieben hatte: Max Emmerling (1864-1945). Jener Bäckermeister aus der weit verzweigten Zeitzer Familie Emmerling wurde sogar zu einem der führendsten Teigwarenproduzenten Deutschlands.

Max Emmerling als Zeitzer Schützenkönig des Jahres 1929 im Alter von 65 Jahren
Max Emmerling als Zeitzer Schützenkönig des Jahres 1929 im Alter von 65 Jahren
Foto: Archiv Petrik Wittwika

Als er wenige Monate vor Ende des Zweiten Weltkrieges in Zeitz starb, hinterließ der Zeitzer Nudel- und Zwieback-Pionier ein beeindruckendes Lebenswerk im Dienst der deutschen Nahrungsmittelindustrie.

Die Lebensgeschichte von Heinrich Max Emmerling, dem das Bäckerhandwerk keineswegs in die Wiege gelegt worden war, beginnt im elterlichen Haus am Wendischen Berg in Zeitz, wo er als drittes Kind und zweiter Sohn des Webermeisters Heinrich Moritz Emmerling (1827-1913) und dessen Ehefrau Emma, geborene Müller, am 6. April 1864 nachmittags um 14 Uhr geboren wurde.

Aufstieg im Handwerk

Großvater Johann Gottlob Emmerling, der aus dem thüringischen Pölzig stammte, hatte sich als Bürger und Schneidermeister in Zeitz während der Frühphase der Industriellen Revolution einen gewissen Stand erarbeitet und das inzwischen abgerissene Haus Messerschmiedestraße 2 erworben, wo dessen Sohn Moritz mit seinem fünf Geschwistern Kindheit und Jugend verbrachte.

Jedoch war der Vater bereits 1834 im 38. Lebensjahr an Auszehrung verstorben und dessen Witwe Johanne Sophie mit sechs Kindern fortan auf sich allein gestellt.

Sohn Moritz trat in die Fußstapfen des väterlichen Handwerks, blieb der Stadt Zeitz zeitlebens treu und heiratete 1859 in der Michaeliskirche die 26 Jahre alte Emma Müller, die eine Tochter des 1847 verstorbenen Zeitzer Fleischermeisters Johann Christian Müller und seiner Frau Friederike Louise, geborene Haupt, war.

1870 gründete der inzwischen 43-jährige Webermeister Moritz Emmerling seine eigene Leinen- und Schnittwarenhandlung, die er daraufhin bald in das von ihm erworbene Haus Kalkstraße 33 verlegte. Durch den Besuch einer Webschule konnte er als selbstständiger Schneidermeister zudem besondere Qualifikationen im Textilgewerbe vorweisen. Zahlreiche Zeitzer Weber verkauften ihm ihre Ware für den Weitervertrieb.

Unerbittlich schlug das Schicksal in der kinderreichen Familie Emmerling zu, als die beiden am 26. September 1872 geborenen Zwillingstöchter Klara Helena und Anna Lina nur einen Monat nach ihrer Geburt kurz hintereinander starben. Sicher auch im Bewusstsein des berühmten Bibel-Psalms „Unser Leben währet 70 Jahre“ zog sich Moritz Emmerling 70-jährig aus seiner Firma zurück und erwarb, wie es die Jahreszahl 1897 auf der großen Grabplatte verrät, ein opulentes Familienbegräbnis auf dem Michaelisfriedhof, das erst vor einigen

Jahren durch seine Nachfahren denkmalgerecht restauriert worden ist.

Eigene Bäckerei eröffnet

Hugo Emmerling (1870-1947) als drittgeborener Sohn übernahm das Geschäft von Vater Moritz, das er aber bereits 1901 an den Kaufmann Bruno Müller veräußerte. Unter dem Namen „Moritz Emmerling Nachfolger“ führte dieser im Haus Kalkstraße 33 das angesehene Unternehmen noch Jahrzehnte erfolgreich weiter, indem er sich auch der fabrikmäßigen Herstellung von Schürzen widmete.

Einen ganz anderen beruflichen Weg schlug sein Bruder Max ein. Nach der Lehre, einer insgesamt zehn lange Jahre andauernden Walz zum „Kennenlernen von Land und Leuten“ und dem Ablegen der Meisterprüfung im Bäckerhandwerk, das ihn von Jugend an fasziniert haben muss, heiratete der 24-jährige Max Emmerling am 12. Februar 1889 Anna Selma Beer, die Tochter des verstorbenen Wittgendorfer Gutsbesitzers Jacob Beer und dessen Frau Wilhelmine.

Das Ehepaar Anna und Max Emmerling, hier auf einem Foto von 1922, war über 50 Jahre verheiratet.
Das Ehepaar Anna und Max Emmerling, hier auf einem Foto von 1922, war über 50 Jahre verheiratet.
Foto: Museum Schloss Moritzburg Zeitz

Seine eigene Bäckerei hatte er voller Tatendrang bereits im Jahr zuvor im Haus Am Kalktor 1 eröffnet, das er auch sein Eigentum nennen konnte.

Hugos und Max’ älterer Bruder Paul Emmerling (1860-1914), ein gelernter Kaufmann, wurde im Jahr 1891 Teilhaber der 1878 gegründeten Zeitzer Hof-Pianoforte-Fabrik F. Geißler in der Posaer Straße, die er im Jahr darauf durch den Ausstieg des Firmengründers Franz Geißler allein weiter und international zu beachtlichem Erfolg als geschätzte Weltmarke in der Musikindustrie führte und die erst die Weltwirtschaftskrise von 1929 in die Knie zwang.