"Der Sandkasten" "Der Sandkasten": Kinderbuch über die DDR jetzt auch in Blindenschrift
Rehmsdorf/MZ - Manfred Kriegel kann sich nicht nur über den Erfolg seines Kinderbuches „Der Sandkasten“ und die ständig wachsende Fangemeinde für die Geschichte, die aus seiner Sicht die Frage „Opa, was war die DDR?“ beantwortet, freuen. Seit ein paar Tagen hält er eine besondere Ausgabe in der Hand: „Der Sandkasten“ wurde in Braille-Schrift übertragen. „Ich bin total stolz, die erste Übersetzung meines Kinderbuches in Braille-Punktschrift ist da“, verkündet Kriegel, „das ist Inklusion pur, und vielleicht sind sehbehinderte und blinde Menschen an meiner Geschichte interessiert, denn sie sehen oft besser und mehr als Sehende.“
Für Kriegel ist dieses Buch mehr als ein Buch, dessen Autor er ist. Es ist in jeder Hinsicht erlebte Geschichte und erzählt mehrere Geschichten. „Der Gedanke, ein Buch über dieses Thema zu schreiben, kam eines Morgens am Frühstückstisch, als meine Enkel Niklas, Alexandra und Rebecca mich fragten: Opa, was war die DDR?“, sagt Kriegel, sich erinnernd, „ich machte mir Gedanken und der Sandkasten war geboren.“ Der Sandkasten ist für Kriegel ein Symbol. Dort nämlich treffen sich fünf Freunde, die in gegenüberliegenden Häusern wohnen, und stehen eines Tages vor einer Mauer. Aus dieser konkret-bildlichen Situation beschreibt Kriegel ein gutes Stück einer Kindheit in der DDR. Kindgemäß, aber durchaus interessant für Erwachsene - nicht nur dann, wenn sie Kindern oder Enkeln einmal etwas anderes vorlesen wollen.
Schließlich waren es ja auch bei Manfred Kriegel Kinder und Enkel, die ihn zum Autor des Buches, zum Erzähler, Erinnerer und Bewahrer eines Stücks Zeitgeschichte werden ließen. „Meine Enkel wurden in eine Zeit hineingeboren, in der die DDR schon nicht mehr existierte“, hat er immer dazu erklärt, „damit sie nicht in Vergessenheit gerät, erzähle ich ihnen meine Geschichte.“
Seine Enkel waren es dann auch, die als erste die Geschichte testen durften. Und wer Kriegel kennt, weiß, dass sie nicht erschienen wäre, wäre sie beim Vorlesen durchgefallen. Schließlich hat er alles mit dieser Direktheit und Ehrlichkeit angepackt: Als Sänger, er begeisterte mit Countrymusik und war der Elvis von Zeitz, er füllte jede Bühne und jeden Raum, Hühne, der er ist und mit seiner Stimme und Begeisterung für das, was er gerade tat. Ebenso als Autor.
Für einiges Aufsehen sorgte er immerhin schon vor gut vier Jahren mit seinem „Haftbefehl 2. 11. 1973“, so der Titel seines Buches, in dem es um Fluchtversuch und Flucht aus der DDR geht, um das Leben im Westen und die Rückkehr in den Osten, um Arbeit und Alltag, um Liebe und Sex, um Hoffnungen und Träume. Und es geht um ein gutes Stück Leben. Manfred Kriegel lebt jetzt in Rehmsdorf. Er stammt aus Nessa, dort wurde er 1947 geboren. Es gibt aber Manfred Kriegel aus Wiesbaden, denn das war seine Heimat für lange Jahre, die er „nur“ um der Liebe willen verließ, um in den Osten zurückzugehen. Genau genommen dahin, wo er Jahre zuvor nur noch den einen Wunsch verspürte, für den er alles tat: Weg. Aber da hatte Kriegel auch schon einige Fluchtversuche hinter sich und war 1973 erwischt worden. Er wurde für drei Wochen im Zuchthaus Brno-Bohunice eingesperrt, ehe er mehrere DDR-Gefängnisse durchlief: Dresden, das „Runde Eck“ in Leipzig und schließlich sieben Monate Einzelhaft im Roten Ochsen in Halle. Auch das ist für ihn eine Antwort auf die Frage, was die DDR war. Aber eben nur eine. Immerhin wären so die Antworten, auch die auf die Frage, was die BRD war, noch Stoff für ein paar Kriegel-Bücher.
„Der Sandkasten“ ist erschienen im Projekte-Verlag Cornelius und überall, auch online, für 11,80 Euro zu haben.