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Der letzte Wunsch Der letzte Wunsch: Wie Sterbenden ein besonderer Abschied bereitet wird

Von Torsten Gerbank 08.02.2017, 05:45
Der Wünschewagen wirkt innen etwas weniger steril als ein normaler Krankenwagen.
Der Wünschewagen wirkt innen etwas weniger steril als ein normaler Krankenwagen. Torsten Gerbank

Leipzig/Zeitz - „Letzte Wünsche wagen“ - unter diesem Leitspruch rollt ein besonderes Fahrzeug von Leipzig aus über Straßen der Republik. Es ist ein voll ausgestatteter Krankenwagen. Das Fahrzeug ist jedoch weniger steril eingerichtet, mit einer Blume geschmückt. Auf der Trage liegt blaue Bettwäsche und es trägt außen blaue Streifen.

Das Auto wird vom Regionalverband Leipzig des Arbeiter-Samariter-Bundes (LSB) ehrenamtlich betreut und dient nur einem Zweck: Sterbenskranken Menschen einen letzten Wunsch erfüllen.

Ehrenamtliche des Projekts "Letzte Wünsche wagen" ermöglichen Sterbenden in Leipzig und Zeitz besonderen Abschied vom Leben

Weil es ein solches Fahrzeug in Sachsen-Anhalt nicht gibt, bieten die Leipziger ihre Dienste auch im Raum Zeitz an, ja im ganzen Burgenlandkreis. Dabei geht es um Menschlichkeit, darum, Menschen, die wissen, dass ihr Leben innerhalb sehr kurzer Zeit zu Ende sein wird, noch einmal Freude zu bereiten, ein bisschen Abwechslung zu bieten - zum Beispiel zum Alltag im Krankenhaus oder im Hospiz.

Seit Dezember steht der Wünschewagen auf dem Hof der ASB-Rettungswache in der Neubauerstraße. Ein paar Monate zuvor hatte der Testlauf für das Projekt begonnen - zunächst mit einem normalen Krankenwagen. So gab es seither acht der besonderen Fahrten, sagt Thomas Höhne, Leiter des Projekts Wünschewagen. „Das Angebot muss sich herumsprechen, wachsen“, fügt Gabriele Rothe hinzu. Sie ist bei den Leipziger Samaritern für Pressearbeit zuständig.

Letzte Wünsche: Was Menschen kurz vor dem Tod noch einmal sehen wollen

Die Erfahrungen zeigen, dass Menschen in der allerletzten Phase ihres Lebens gern noch einmal das Meer sehen, es rauschen, riechen und die Möwen kreischen hören möchten. Vielleicht, so Höhne, hänge dieser Wunsch mit Erfahrungen aus dem Leben in der DDR zusammen. Für viele sei da die Ostsee das Reiseziel Nummer eins gewesen. Da waren die Menschen glücklich, haben gefeiert, geliebt, eine schöne Zeit verbracht. Zudem sei das Meer ein Inbegriff von Freiheit.

Der Wünschewagen ist ein Projekt des Arbeiter-Samariter-Bundes, Initiator ist der ASB-Regionalverband Ruhr. Die speziellen Fahrzeuge gibt es in sieben Bundesländern und in Berlin. Vorbild ist die Stichting Ambulance Wens (Stiftung Wunsch-Ambulanz) in Holland.

Das Projekt wird mit Spenden und ehrenamtlichen Helfern ermöglicht. Allein der ASB-Regionalverband Leipzig hat für den Wünschewagen rund 50 ehrenamtliche Helfer - verteilt über Sachsen.

Wer das kostenlose Angebot für Verwandte oder Freunde nutzen möchte, kann sich an den ASB in Leipzig wenden. Für eine Wunschanfrage gibt es auf der Webseite https://wuenschewagen.com/sachsen ein Formular.

Ehrenamtliche Helfer können auch aus dem Raum Zeitz stammen. Am 13. Mai gibt es eine spezielle Schulung. Es geht zum Beispiel um den Umgang mit sterbenskranken Menschen.

Telefonischer Kontakt unter 0341/6 49 88 70

Das alles im Zusammenspiel erkläre für ihn das Phänomen dieses immer wiederkehrenden letzten Wunsches. Als Ziel, so Höhne, könne aber alles dienen, was innerhalb eines Tages erfahrbar ist. Dabei könne die Rückreise durchaus am zweiten Tag erfolgen. Zu Wünschen, die bereits erfüllt worden sind, gehören neben den Fahrten ans Meer auch eine Fahrt zu einem runden Geburtstag, in die Berge - oder in den einstigen Kleingarten. Weil der im Sterben Liegende noch einmal den Weinstock sehen wollte, den er in glücklichen Tagen gepflanzt habe.

„Wir fahren da keine Patienten, es sind Wünschende.“

Per Taxi, Krankenwagen oder mit privatem Auto wären diese Fahrten im Normalfall nicht machbar - weil sie zum Beispiel nicht zu bezahlen wären oder kein Mensch auf einer Trage transportiert werden könnte.

Wenn die Mitarbeiter des ASB über ihre besonderen Fahrgäste reden, dann wählen sie ihre Worte sorgfältig. „Wir fahren da keine Patienten, es sind Wünschende“, sagt Gabriele Rothe. Und die Formulierung „todkrank“ mag sie auch nicht. Sterbenskrank sei der bessere Begriff, schon deshalb, weil er weniger hart klinge. Für die Fahrer seien Letzte-Wünsche-Touren auch besondere Fahrten, nicht vergleichbar mit klassischen Krankentransporten, sagt Höhne. „Es ist mehr, man wächst mehr zusammen, hat mit dem Wünschenden ein anderes Verhältnis“, erklärt er.

Natürlich werde versucht, nicht über Medizin oder Krankheit zu reden. Weil ja Ziel sei, den Menschen ein Stück davon wegholen - wenn auch nur vorübergehend. „Besonders emotional ist die Rückfahrt“, sagt Höhne. Bei der Verabschiedung, so Rothe, müssen selbst starke Männer mit Tränen kämpfen - wenn sie alles Gute wünschen. (mz)

Thomas Höhne, hier im Gespräch mit Gabriele Rothe, auf dem Hof der Rettungswache am Steuer des Wünschewagens.
Thomas Höhne, hier im Gespräch mit Gabriele Rothe, auf dem Hof der Rettungswache am Steuer des Wünschewagens.
Torsten Gerbank