Chronist von Zeitz Chronist von Zeitz: Warum Ernst Zergiebel das Standardwerk zur Geschichte schrieb

Zeitz - Am 17. Januar vor 80 Jahren starb in Zeitz mit Ernst Zergiebel der wohl bekannteste und bedeutendste Chronist, der Schreiber der Chronik der Stadt Zeitz. Als Zergiebel 1932 seinen 80. Geburtstag beging, existierte er längst im Bewusstsein vieler Zeitgenossen „als ein Mann, der einmal vor vielen Jahren gelebt hat“, wie es die „Zeitzer Neuesten Nachrichten“ seinerzeit treffend beschrieben.
Aufgrund seines äußerst zurückgezogenen Daseins, das der Rand-Zeitzer einem Eremiten gleich in größter Bescheidenheit im Gehöft mit der Hausnummer 17 in der früheren Hauptstraße mitten in Grana geführt hatte, kannte kaum einer das Gesicht des greisen, mit der Zeitzer Geschichte allerdings bestens vertrauten Historikers. Und das, obwohl sein Name längst untrennbar verbunden war mit der gut 40 Jahre zuvor von ihm veröffentlichten „Chronik von Zeitz und den Dörfern des Zeitzer Kreises“, die er als Privatgelehrter „nach Urkunden und Akten“ verfasst hatte und die rasch zum Standardwerk in der regionalen Heimatgeschichtsforschung geworden war.
Ernst Zergiebel wurde am 20. Mai 1852 im elterlichen Wohnhaus im Dorf Grana geboren
Friedrich Wilhelm Ernst Zergiebel, so sein vollständiger bürgerlicher Name, wurde am 20. Mai 1852 im elterlichen Wohnhaus im Dorf Grana geboren. Sein Vater war der aus Mannsdorf bei Ronneburg stammende Webermeister Johann Georg Zergiebel, der das kleine Bauerngut in Grana im Jahr 1850 für 700 Taler käuflich erworben hatte.
Dessen Ehefrau Wilhelmine Amalie, eine gebürtige Granaerin, stammte aus einer kinderreichen Familie. Sie war die Tochter des 1851 verstorbenen Handarbeiters Christian Gottlieb Mahler und seiner Frau Eleonore. Georg Zergiebel, der sich in frühen Quellen auch Zerrgiebel schrieb, überlebte seine einige Jahre ältere Frau, die am 24. September 1884 66-jährig starb, um fast 30 Jahre. Im hohen Alter von 88 Jahren verstarb der Vater von Ernst Zergiebel am 4. Februar 1911 in Grana.
Nach dem Besuch der Stephansschule wurde Ernst Zergiebel 1865 Schüler des Zeitzer Stiftsgymnasiums
Nach dem Besuch der Stephansschule wurde Ernst Zergiebel 1865 Schüler des Zeitzer Stiftsgymnasiums, das er 1873 mit dem Reifezeugnis verließ, um in Halle (Saale) neben alten Sprachen, Geschichte und Archäologie zu studieren. Eine schwere Erkrankung zwang ihn mitten im Promotionsverfahren zum Doktor der Philologie zur Unterbrechung seiner Studien. Erst nach jahrelangem Krankenlager konnte er sich endlich wieder seiner großen Leidenschaft, der Erforschung der Zeitzer Geschichte, intensiv widmen.
In äußerster Abgeschiedenheit entstand in seinem Elternhaus in Grana nach intensiver Auswertung der von ihm aufgespürten jahrhundertealten Akten und Urkunden die dreibändige Chronik zur Stadt Zeitz und der umliegenden Dörfer, die er 1896 im Verlag der Druckerei W. Ronneburger in Zeitz herausgab.
Ernst Zergiebel: Zwanzig Mark für acht Jahre Arbeit als Honorar
Wie wenig Wertschätzung seine Arbeit zur damaligen Zeit erfuhr, brachte Heimatforscher und Denkmalpfleger Werner Schulz-Tauchlitz (1901-1976) bei einem seiner Besuche in Zergiebels Wohnung in Erfahrung. Zwanzig Mark für acht Jahre Arbeit wurden ihm als Honorar von Ronneburger gezahlt. Noch größeren Verdruss bereitete Zergiebel aber vor allem das Kürzen des Inhaltsverzeichnisses, da der Verleger unbedingt Papier sparen wollte.
Dem aufwendigen Quellenstudium blieb er dennoch in den folgenden Jahrzehnten treu verbunden. Obwohl er als Autor zumeist anonym blieb, entstammten zahlreiche Abhandlungen im „Zeitzer Anzeiger“ oder in den „Zeitzer Neuesten Nachrichten“, insbesondere in „Die Mark Zeitz“, aus seiner Feder. 1919 erschien seine „kritische Betrachtung“ über die Schlacht bei Hohenmölsen im Jahr 1080, bei der Rudolph von Schwaben Kaiser Heinrich IV. besiegte.
Ernst Zergiebel hatte Angst vor einem Unfall
Es bedurfte schon einiger Überredungskunst, ehe sich Ernst Zergiebel 1930 während eines Ausfluges in den Zeitzer Forst, den er gemeinsam mit Zeitungsverleger Arthur Jubelt und Konrad „Papa“ Braun, dem Vorsitzenden des Geschichts- und Altertumsvereins, unternahm, fotografieren ließ, denn das Medium Fotografie war ihm seit jeher, wie übrigens auch elektrische Beleuchtung, fremd und suspekt.
Das Jubelt’sche Automobil bestieg Ernst Zergiebel aus Angst vor einem möglichen Unfall erst nach einigem Zögern. Aber dann war er nach der Exkursion, die auch die romanische Schkauditzer Kirche zum Ziel gehabt hatte, regelrecht begeistert vom Autofahren. Und so sollten noch weitere Ausflüge folgen, an denen der so wichtige Mitarbeiter, dem die „Zeitzer Neuesten Nachrichten“ unzählige Beiträge und ebenso grundlegende Abhandlungen über die Geschichte historischer Zeitzer Häuser verdanken, teilnahm.
Für gewöhnlich war Zergiebel aber stets zu Fuß von Grana nach Zeitz ins Stadtarchiv gelaufen. Überhaupt unternahm er noch im hohen Alter ausgiebige Spaziergänge in der näheren Umgegend seines Grundstücks, vorzugsweise entlang des Floßgrabens oder nach Kleinosida. (mz)