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Auffällig wortkarg Auffällig wortkarg: Haben Zeugen Angst vor dem Angeklagten?

Von Matthias Voss 01.07.2019, 12:30
Das Gebäude  des Landgerichts am Hansering in Halle (Saale)
Das Gebäude  des Landgerichts am Hansering in Halle (Saale) dpa

Zeitz/Halle (Saale) - „Ich sage jetzt nichts mehr“, meinte die 43-jährige Zeugin Nicole S. im Prozess vor dem Landgericht Halle gegen einen 40-jährigen Zeitzer. Man konnte regelrecht spüren, wie unangenehm ihr die Befragung war. Als Argument gab sie an, sich in den Angeklagten verliebt gehabt zu haben, doch das Gericht vermutete eher, dass Angst dahinter stecken könnte.

Dem Zeitzer wird gewerbsmäßige Hehlerei in 70 Fällen vorgeworfen. Bei drei Durchsuchungen seit 2013 fand die Polizei Hunderte Fahrräder, Mopeds, Werkzeuge, technische Gerätschaften und vor allem Kabel und Metall in einer Garage auf dem Gelände der ehemaligen Scharnierfabrik in Zeitz-Rasberg. Alles war Diebesgut, doch das will dem Angeklagten nicht bewusst gewesen sein.

Einen vage angedeuteten Willen zu einem Geständnis zog Angeklagter wieder zurück

Einen vage angedeuteten Willen zu einem Geständnis zog er deswegen wieder zurück, weswegen aus ursprünglich sechs Verhandlungstagen mindestens 15 werden. Denn das Gericht muss nun alle 70 Fälle einzeln betrachten und entsprechend viel Zeugen, vor allem Geschädigte, befragen. Am Freitag aber waren erstmal wieder Bekannte und Freunde des Angeklagten an der Reihe, so auch die 43-jährige Zeitzerin.

Die sorgte zwischendurch für einen großen Lacher bei allen Beteiligten, als sie sagte, dass sie von nichts wüsste, was der Angeklagte dort so getrieben habe, weil sie nur ab und zu Unkraut bei ihm gejätet habe. „Genau das haben wir hier schon mindestens fünfmal gehört“, erwiderte die fassungslose Vorsitzende Richterin.

„Er hat mir viel geholfen und war für mich da, im Gegensatz zu meinen Eltern.“

Diese Standardausrede, offenbar um den Angeklagten nicht zu belasten, benutzte wortwörtlich auch Zeuge Matthias B.. „Er hat mir viel geholfen und war für mich da, im Gegensatz zu meinen Eltern. Da wollte ich ihm was zurückgeben“, drückte B. ein wenig auf die Tränendrüse.

Das Gericht aber hatte den Verdacht, dass, wie schon Zeugen vor ihm, bei ihm eine gewisse Angst vor dem Angeklagten herrscht. Besser gesagt vor dessen Kumpels, die ebenfalls als Zeugen vor Gericht teilweise sehr aggressiv aufgetreten waren. So verneinte er auch, gegenüber der Polizei ausgesagt zu haben, dass er sich bezüglich einer Zeugen-Taktik mit dem Angeklagten abgesprochen habe.

„Dann haben sich die Beamten das wohl nur ausgedacht, oder wie?“

„Dann haben sich die Beamten das wohl nur ausgedacht, oder wie?“ geriet die Richterin in Rage. Letztendlich konnte sie den sichtlich nervösen und immer wieder verstohlen zu dem Angeklagten herüberschauenden Zeugen B. nicht zu einer Bestätigung umstimmen. So eingeschüchtert sind laut der Aussage einer Zeitzer Polizistin offenbar auch diverse unmittelbare Nachbarn in Rasberg.

„An der Tür haben sie uns so einiges erzählt, aber eine offizielle Zeugenaussage auf dem Revier wollten sie nicht machen. Die Nachbarn hatten teilweise Angst“, sagte Melanie K.. Die 35-jährige erzählte recht lebhaft von ihren Erlebnissen bei den Durchsuchungen. „In einer Halle stand ich vor einem Berg an Altmetall und Kabeln. Das waren Tonnen, die bis unter die Decke gelagert waren. Wahnsinn“, meinte sie.

Polizei hat ein kleines Notizbuch bei dem Angeklagten festgestellt

Außerdem hatte die Polizei ein kleines Notizbuch bei dem Angeklagten festgestellt, in dem bekannte Namen aus der kriminellen Zeitzer Szene, sowie teilweise durchgestrichene Zahlen notiert waren.

Auch über die Ausreden anderer Zeugen konnte sie nur schmunzeln. „Das war bei unseren Vernehmungen auch so. Man konnte voll merken, dass die ganz genau wussten, worum es ging. Aber man kann die Wahrheit ja nicht aus den Menschen herausprügeln“, so die Polizistin. (mz)