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Alltag mit Diabetes Alltag mit Diabetes: «Ich musste mein Leben umstellen»

Von Klaus-Dieter Kunick 03.02.2003, 20:42

Hohenmölsen/MZ. - "Meine Mutter hat ebenfalls daran gelitten. Aber dass ich so schnell Zucker bekommen würde, damit habe ich nicht gerechnet. Ich war schockiert und musste mein Leben vollkommen umstellen", ergänzt sie und erklärt, dass die Ursachen für Diabetes vielfältig seien, bis hin zur Vererbung. Dabei hatte Frau Schaffernicht die ganzen Jahre über gesundheitlich so gut wie keine Probleme. "Nichts Ernsthaftes, mal eine Erkältung, mehr nicht", berichtet die Frau, die einst im Braunkohlenwerk Profen und danach als Schulsekretärin arbeitete.

Heute lebt die Seniorin in der Welt der Broteinheiten. Alles was sie zu sich nimmt, wird in Broteinheiten (BE) umgerechnet. "Eine BE", klärt sie auf, "das sind beispielsweise zwölf Gramm Brot." Elf bis zwölf BE dürfe sie am Tag zu sich nehmen. Ein Stück Kuchen hat gleich zwei BE. Aber sie habe sich zumeist im Griff. "Wenn ich mehr als erlaubt esse, habe ich danach ein schlechtes Gewissen", ist von der Hohenmölsenerin zu erfahren, die von 1975 bis Anfang der 90er Jahre die Geschicke der Volkssolidarität im Altkreis Hohenmölsen leitete.

Just zur Wendezeit bekam sie einen Herzinfarkt. Vorruhestand oder weitermachen - die Frage war zu klären. Weitermachen. "Loslassen konnte ich einfach nicht", erinnert sie sich. Erst als vier Jahre später der Bypass gelegt wurde, entschied sich Frau Schaffernicht zum Aufhören. Aber auch das nicht ganz. Die Arbeit in der Selbsthilfegruppe liegt ihr am Herzen. "Es werden jährlich immer mehr Menschen, die an Diabetes erkranken. Da ist Hilfe einfach unumgänglich", gesteht sie und sieht sich dabei selbst als Kämpfertyp. Sich hinsetzen und an die Krankheit denken, nein, das bringe sie nicht weiter. "Ich erhalte doch selbst vom Krankenhaus in Hohenmölsen die notwendige Unterstützung, das ist ein tolles Team", zollt sie Lob.

Und von dem, was sie an Hilfe erfährt, will sie ein Stück weitergeben. "Ich merke an mir selbst, dass Stress, eine Erkältung oder Aufregung sich sofort in den Werten niederschlagen", fährt sie fort. Das müsse man wissen, um sich im Notfall selbst helfen zu können. "Wenn man noch ein paar Jahre leben will, dann muss man sich danach richten", lautet ihre Philosophie. Tue man das nicht, lege sich Diabetes unter anderem auf das Herz, die Augen oder Nieren. Beinamputation, Blindheit oder Herzinfarkt würden dann oft folgen. Bis jetzt habe jeder, der sich nicht danach richtet, das bitter bereut.

Diabetes bestimme den Tagesablauf. Morgens sei das Messen des Zuckers die erste Amtshandlung, die sie vornehme. Und immer wieder spritzen, 15 Minuten vor den Mahlzeiten. Auch das Buchführen gehöre ebenso dazu wie sich täglich die Werte aufzuschreiben. Besonders schlimm werde es, wenn man Unterzucker, also zu wenig Zucker im Körper habe. "Als ich mal im Garten war, erwischte es mich unerwartet. Ich begann zu zittern und habe zur Beruhigung sofort Traubenzucker genommen", schildert sie die Situation. Manchmal falle ihr das Laufen schwer. Einen Tag vor Weihnachten habe sie vor Schmerzen nicht mehr auftreten können. Der Zucker hinterlässt Spuren. "Es sind Durchblutungsstörungen. Nervenzellen sterben ab", erklärt die Seniorin. "Ja", meint sie, "mitunter ist das schon ganz schön belastend." Man müsse genau wissen, was man sich tagsüber vornehme. In der Tasche habe sie immer ein bisschen Traubenzucker dabei, Insulin zum Spritzen und ihren Ausweis.

Die Krankheit vergessen, das geht nicht. Der Zucker ist immer da, jeden Tag. Auch im Urlaub. Esse sie nicht zu Hause, blieben beim Mittagessen von vier Kartoffeln zwei auf dem Teller. Im Kopf hat sie die Broteinheiten. "Ich lasse mich nicht vom Zucker unterkriegen. Entweder ich schaffe den Zucker oder er mich. Ohne Selbstdisziplin geht es nicht", sagt Frau Schaffernicht. Notwendig sei aber auch Humor. "Denn ohne Humor kriegt man ja gleich einen Schuss", scherzt sie.Kommentar