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Wörlitz  Wörlitz: Karriereplan für Hotelier gab es schon schon zur Taufe

Von Andreas Behling 11.02.2017, 05:00
Ewald Pirl konnte den Rheinland-Pfälzer an der Anlegestelle am Schloss begrüßen, mit dabei war der Direktor der Kulturstiftung Thomas Weiß (re.).
Ewald Pirl konnte den Rheinland-Pfälzer an der Anlegestelle am Schloss begrüßen, mit dabei war der Direktor der Kulturstiftung Thomas Weiß (re.). Behling

Wörlitz - Wohin es den Filius beruflich später ziehen wird, stand für manchen Erwachsenen schon fest, da konnte der kleine Knabe vor ihnen nicht mal die Worte „Mama“ und „Papa“ artikulieren. Aber es trug sich eben just am Tag seiner Taufe zu, dass Ewald Pirl energisch einen Zipfel der Tischdecke packte und den Stoff von der Tafel zog. Ein Vorfall, der am 2. Oktober 1937 den einhelligen Kommentar provozierte: „Das wird ein Gastronom!“

Die vage Ahnung, dass das Kind - zu dem Zeitpunkt keine acht Monate alt - die Familientradition fortsetzen würde, wandelte sich indes wahrhaftig zur unumstößlichen Tatsache. Ewald Pirl, der am 11. Februar 1937 in Wörlitz auf dem Anger im Haus 123 zur Welt kam und am Sonnabend seinen 80. Geburtstag begeht, avancierte zu einem gestandenen Hotelier.

Von seinen Eltern Siegfried und Charlotte nach dem im berühmten Berliner Hotel „Adlon“ als Oberkellner tätigen Großvater benannt, schaffte er es, dem inzwischen mehr als 100-jährigen Hotel „Zum Stein“ zu einem Renommee zu verhelfen, das weit über Sachsen-Anhalt hinaus strahlt. Wie viele Räder gut geölt ineinander greifen müssen, um eine (Gast-)Wirtschaft in Gang zu bringen und zu halten, bekam der junge Ewald Pirl schnell mit.

Als seine Eltern am 22. November 1950 - amtlich besiegelt - das Gasthaus von Paula Pirl übernahmen, war der junge Bursche längst in den Betrieb integriert. Ziemlich oft radelte er zum Beispiel als Teenager in den Schulferien zur Wörlitzer Brauerei, um Stangeneis zu holen. Bei dem Auftrag musste er unbedingt darauf achten, die Eisstange, die der Kühlung von Bier und Limonade diente, mit einem stabilen Kartoffelsack zu umhüllen. Nur so konnte sie unfallfrei auf dem Gepäckträger transportiert werden.

Start im Leipziger Parkhotel

Mit 17 Jahren, am 1. September 1954, startete Ewald Pirl seine Lehre als Volontär im Leipziger Parkhotel. Es stand gegenüber dem Hauptbahnhof an der Stelle des heutigen Parkhotel „Seaside“. Restaurant, Buffet, Küche, Buchhaltung, Telefondienst, Lift-Boy und Rezeption - keine Abteilung ließ der wissbegierige Lehrling aus.

Zu den Messen und anlässlich von Staatsempfängen im Neuen Rathaus war der Wörlitzer als Kellner gefragt, denn Empfänge für Wirtschaftsvertreter und wichtige Handelspartner standen in der Wandelhalle ständig auf der Tagesordnung. Mit allem notwendigen Rüstzeug ausgestattet, traut sich Ewald Pirl, der im Herbst 1967 seine Inge heiratete, auch die Führung eines Gasthauses zu: 1977 übernimmt das Paar in dritter Generation den Betrieb des stets privat geführten Hauses, das zu dieser Zeit vier Zimmer mit acht Betten besitzt.

Den Eltern zur Seite stehen die Söhne Michael und Christian mit ihren Familien. Heute 48 und 39 Jahre alt - und das scheint wirklich in den Genen zu liegen - traten beide ganz in die Fußstapfen ihrer Ahnen. „Unser Vater ist eine ruhelose Natur“, meint Michael Pirl. Kein Wunder also, dass der Senior keinen festen Platz im nahen Landschaftspark nennen kann, an dem er entspannt den Gedanken nachhängen würde.

Zum Neujahrstag 1993 der Kooperation der Ringhotels Deutschlands beizutreten, in welcher über 150 familiär geführte private Hotels zusammengeschlossen sind, zählt für Ewald Pirl rückblickend zu den wichtigsten Entscheidungen als Unternehmer. Den Anstoß habe 1992 die Familie Kühnemann aus Hermannsburg (Niedersachsen) gegeben, erinnert er sich.

Von ihr kam die Empfehlung, das Hotel „Celler Tor“, ebenfalls Ringhotel-Mitglied, in Augenschein zu nehmen. Die Wörlitzer folgten diesem Tipp gern. Ewald und Inge Pirl wurden von Dieter und Elisabeth Heine herzlich in Celle aufgenommen. Zur Neugier bei der Führung durchs Haus gesellte sich bald Anerkennung. Und am Ende stand nur noch Begeisterung. „Der Beitritt erfolgte, um sich gegen die Markenmacht der Hotelketten zu behaupten“, erzählt Ewald Pirl.

„Daraus entwickelten sich in den Jahren viele weitere Vorteile. Im Vordergrund stand zum Beispiel, zeitgerecht buchbar zu sein. Anfangs in Katalogen, später auf Internetportalen oder bei Vermittlern. Beratungen fanden in Sachen Preisgestaltung und Kalkulation statt. Die Ringhotel-Mitgliedschaft öffnet Türen zu Großkunden und ist zugleich Qualitätssiegel.“

Verbunden mit der Mitgliedschaft waren die spätere - und sich sehr positiv auswirkende - Einführung von verdeckten Qualitätskontrollen (Mystery Checks) sowie die vielen Qualitätsberatungen und Seminarangebote. „Gerade kurz nach der Wende war das für uns ein gewaltiger Schritt“, resümiert Ewald Pirl. „Aber der rege Erfahrungsaustausch mit den unterschiedlichsten Kollegen aus ganz Deutschland ist unschätzbar. Wir lernen immer noch voneinander und pflegen zum Teil intensive Freundschaften.“

Wer von den langjährigen Geschäftspartnern und Freunden sich aufmachen wollte, um ihm persönlich zum Ehrentag zu gratulieren, wusste der nach wie vor umtriebige Jubilar nicht. Hände schütteln durfte der Senior in seiner langen Karriere jedenfalls schon eine ganze Menge. Auch die von Prominenten.

Obwohl zu den Menschen gehörend, die eher im Hintergrund schalten und walten, hatte Ewald Pirl zum Beispiel die Gelegenheit, die beiden Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und Gerhard Schröder (SPD) zu begrüßen. Zudem gaben sich - neben vielen anderen - Tierfilmer Heinz Sielmann, Fußballtrainer Felix Magath, Schauspieler Mario Adorf und Olympiasieger Matthias Steiner die Ehre im Ringhotel.

Erinnerungen, die ebenso fest im Gedächtnis des Hoteliers verankert sind wie die Reminiszenzen an die Flutkatastrophen 2002 und 2013. Akribisch und kontinuierlich hat sie Ewald Pirl - unterstützt von archivierten Unterlagen - zu Papier gebracht. Und sich dabei häufig die gleiche Frage gestellt: „Was wäre passiert, wenn mein Großvater Ewald Friedrich Pirl nicht nach Wörlitz gekommen wäre?“

Doch er darf ruhig guten Gewissens den Blick auch nach vorne richten. Neben Luther hält 2017 noch weitere schöne Ereignisse bereit: Der Wörlitzer Gewerbeverein, um dessen Gründung sich sein Sohn Michael verdient machte, besteht seit 25 Jahren. Und am Ende eines hoffentlich goldenen Oktobers kann er mit seiner Inge - und nicht nur einer Handvoll an Gästen - auf die Goldene Hochzeit anstoßen. (mz)

Am 17. Juli 1996 besuchte Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) die Wörlitzer Parkanlagen.
Am 17. Juli 1996 besuchte Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) die Wörlitzer Parkanlagen.
Hotelchronik