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Gesellschaft Wittenberger Tafel verzeichnet steigende Nachfrage

Hohe Preise bei Lebensmitteln und Energie lassen mehr Menschen dort Hilfe suchen. Von einer Verdopplung der Kundenzahl ist die Rede.

Von Marcel Duclaud 14.07.2022, 18:09
Kein Mangel an Lebensmittel-Spenden: Hier wird die Wittenberger Tafel beliefert.
Kein Mangel an Lebensmittel-Spenden: Hier wird die Wittenberger Tafel beliefert. Foto: Marcel Duclaud

Wittenberg/MZ - 2,30 Euro für ein Stück Butter, über einen Euro für die Packung Milch, Käse teurer, Brot teurer, Wurst teurer, von den Energiekosten gar nicht zu reden - die stark steigenden Preise hinterlassen Spuren im Portemonnaie. Und manchen bringen sie an die Grenzen der finanziellen Möglichkeiten. Wo das besonders deutlich wird, das ist bei den Tafeln, die Lebensmittel an Bedürftige ausreichen. Einige in der Republik werden des Ansturms gar nicht mehr Herr und müssen den Zugang begrenzen.

Schnell auf Ukraine-Flüchtlinge reagiert

In Wittenberg ist das nicht der Fall. „Wir haben genug“, beruhigt Inga Schubert, die sich seit 25 Jahren um das karitative Projekt kümmert. Sie beobachtet allerdings auch, dass die Zahl der Bedürftigen erheblich wächst. Für Wittenberg spricht sie von einer Verdopplung seit Ende Februar, seit Putin die Ukraine überfallen hat, seit die Preise derart steigen, seit Flüchtlinge auch im Landkreis angekommen sind.

Die Tafel hat schnell reagiert und den bislang einzigen freien Tag in der Woche in Wittenberg, den Mittwoch, reserviert für Menschen aus der Ukraine, die vor dem Krieg geflohen sind. „Angefangen haben wir mit acht Familien“, es seien meist Mütter mit ihren Kindern. „Jetzt sind wir bei 106 Familien.“ Für die Kinder, bemerkt die Tafel-Chefin, habe man habe man immer mal etwas Besonderes, Kekse oder Schokolade.

Dass ihr das Schicksal der Menschen an die Nieren geht, verschweigt sie nicht. Inga Schubert braucht manchmal Bachblüten-Tropfen zur Beruhigung. Worüber sie sich freut, ist, dass die „meistens drei mal Danke sagen.“

Dass trotz des stark steigenden Bedarfes die Vorräte nicht ausgehen bei der Wittenberger Tafel, hat wesentlich mit den über die Jahre aufgebauten Verbindungen zum Handel und zu Unternehmen aus der Lebensmittelbranche zu tun. Es gebe inzwischen kaum einen Supermarkt in der Umgebung, der nicht regelmäßig Lieferungen bereitstellt, erklärt die Mittsiebzigerin. „Wir haben gute Kontakte geknüpft“, berichtet sie. Und dann sind da auch noch die produzierenden Betriebe, die Backwaren spenden oder Marmelade, Kekse oder Margarine. „Wir können denen gar nicht genug danken“, betont Inga Schubert. Es handle sich samt und sonders um gute Ware: „Da ist nichts Schlechtes dabei.“ Das zeige sich beim Sortieren der Lieferungen: „Die Zeiten sind schwierig, auch für die Märkte, trotzdem bleiben uns die Spenden erhalten“, hebt die Chefin hervor.

Wer zur Tafel kommt, erhält die Lebensmittel nicht kostenlos. Fünf Euro pro Tasche sind zu zahlen, zudem muss die Bedürftigkeit nachgewiesen werden. Mit den Einnahmen werden die laufenden Kosten gedeckt: Miete, Sprit, Strom. Finanzielle Unterstützung etwa von der öffentlichen Hand erhalten die Tafeln nicht. Sie sind auf Spenden angewiesen, auf ehrenamtliche Arbeit und auf Helfer, die etwa ihre Sozialstunden ableisten. Mit denen macht Inga Schubert durchaus gute Erfahrungen: „Was die auf dem Kerbholz haben, ist mir egal. Hauptsache, sie machen ihre Arbeit. Das funktioniert. Wir müssen uns da nicht groß kümmern.“

Der ältere Herr aus Zahna steht schon vor der Tür, obgleich die Tafel erst in zwanzig Minuten öffnet. „Ich komme regelmäßig, schon seit 14 Jahren“ berichtet er. Die Lebensmittel, die der 77-Jährige in drei großen Tüten erhält - Obst/Gemüse, Backwaren, Allerlei - helfen sehr, über die Runden zu kommen, denn die Rente sei schmal. Er führt die Kosten für Medikamente an, das teure Heizöl, Urlaub sei schon länger nicht mehr drin. Diesmal wird ihm sogar noch ein Strauß Blumen in den Beutel gepackt - für seine kranke Frau.

Dreifache Mutter fürchtet sich vor der nächsten Stromrechnung

Ebenfalls eine regelmäßige Kundin der Tafel ist die 35-Jährige, die nach dem Mann aus Zahna erscheint. Sie sei arbeitssuchend, ihr Mann geringverdienend. „Wir haben drei Kinder, da ist es sehr knapp bei uns zu Hause.“ Die Tafel helfe, halbwegs gut durch die Woche zu kommen, stark einschränken muss sich die Familie trotzdem. „Ohne Tafel wäre es sehr, sehr eng“, sagt die Wittenbergerin und fürchtet sich schon vor der nächsten Stromrechnung.

Inga Schubert führt derweil durch die Räume. „Hier“, zeigt sie, „das sind Spenden von den Festivals in Ferropolis.“ Die Regale sind gefüllt, mit leeren Taschen müsse niemand nach Hause geschickt werden.